Eisige Naehe
herausbilden, aus Hypothesen werden Fakten, und irgendwann hat man den Täter am Haken.«
»Warum setzen Sie uns so unter Druck? Sie wissen selbst, dass in unserem Beruf nichts schädlicher ist als Druck, weil dann die meisten Fehler gemacht werden ...« »Wir werden unser Bestes tun, Herr Rüter«, meldete sich nun erstmals Harms zu Wort, der merkte, wie es in Henning brodelte, und verhindern wollte, dass sein bester Mann etwas Unbedachtes von sich gab. Auch Santos' Gesicht drückte Wut, aber auch Besorgnis aus, denn dass Rüter innerhalb von sieben Tagen einen Täter forderte, war äußerst ungewöhnlich. Sie hatten in ihrer Abteilung noch nie ein Ultimatum seitens der Staatsanwaltschaft gesetzt bekommen. Harms war ratlos, gab sich nach außen jedoch gelassen und bedacht, er wollte sich Rüter gegenüber keine Blöße geben. Mehr als dreißig Jahre Diensterfahrung hatten ihn gelehrt, Staatsanwälten keine unnötigen Fragen zu stellen und schon gar nicht provokant aufzutreten.
»Davon gehe ich aus«, antwortete Rüter lapidar. »Dürfte ich nun einen Blick auf die Namensliste werfen?« »Selbstverständlich«, sagte Santos, zog den Zettel aus ihrer Tasche und reichte ihn weiter.
Nachdem Rüter die Namen überflogen hatte, meinte er: »Bis auf einen kenne ich sie alle. Gehen Sie behutsam vor, mit diesen Menschen ist nicht zu spaßen. Zudem verfügt jeder von ihnen über eine Menge Macht, Einfluss und vor allem Geld.« Er betrachtete die Liste erneut und schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass einer von ihnen etwas mit dem Mord zu tun hat. Aber ich lasse mich gerne überraschen. Halten Sie mich also auf dem Laufenden. Noch etwas: Das Beste ist nicht immer gut genug. Ich verlasse mich auf Sie und Ihre Spürnase, Herr Henning, denn dafür sind Sie ja bekannt.«
Rüter erhob sich, strich sein Jackett gerade und wollte sich umdrehen, als Hennings Stimme ihn zurückhielt: »Verraten Sie mir etwas?« »Wenn ich die Antwort kenne.« »Warum diese Eile?«
»Ich dachte, diese Antwort hätte ich Ihnen bereits gegeben. Einen schönen Tag noch.«
»Nein, Sie haben mir die Antwort nicht gegeben. Klar, Bruhns ist vielleicht einer der bekanntesten Männer der Republik. Aber wir werden so lange ermitteln, bis wir den wahren Täter haben. Wenn es statt sieben Tage sieben Wochen oder gar sieben Monate dauert. Gut Ding will Weile haben. Einen Sündenbock zu opfern, der gar nichts getan hat, das kann doch keiner von uns wollen, oder?« Rüter kehrte zurück, stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und sah Henning durchdringend an. Er zog die linke Augenbraue hoch und sagte: »Ich weiß nicht, was Sie mir unterstellen wollen, aber Sie sollten Ihre Wortwahl überdenken.«
»Ich unterstelle Ihnen gar nichts, das würde ich mir niemals anmaßen. Aber sieben Tage sind hundertachtundsechzig Stunden, und das für einen Mordfall, in dem es wahrscheinlich Hunderte von Verdächtigen gibt, neben den sieben, die uns Frau Bruhns aufgeschrieben hat.« »Herr Henning, es bleibt dabei, sieben Tage. Sollten Sie bis zum nächsten Sonntagmittag keine brauchbaren Ergebnisse vorweisen können, müssen wir uns etwas anderes überlegen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich denke, ich habe mich klar genug ausgedrückt. Momentan sind Sie der Leiter der Soko Bruhns. Und als solcher genießen Sie mein vollstes Vertrauen.« »Ihr Vertrauen ehrt mich, aber vielleicht haben Sie schon einen Vorschlag, in welcher Richtung wir ermitteln sollen, das würde uns die Arbeit mächtig erleichtern«, konterte Henning, ohne den Sarkasmus in seiner Stimme unterdrücken zu können.
»Für die Ermittlungen sind allein Sie und Ihre Abteilung zuständig. Ich erwarte lediglich, auf dem Laufenden gehalten zu werden und schnellstmöglich Ergebnisse auf den Tisch zu bekommen.«
»Wir werden Sie selbstverständlich informieren, das tun wir doch immer, wenn Sie es verlangen. Aber um keine Zeit zu vergeuden, wäre es vielleicht angebracht, wenn wir gleich an die Arbeit gehen, bis nächsten Sonntag bleiben uns noch hundertachtundsechzig Stunden, aber das habe ich ja eben schon mal betont. Verdammt wenig Zeit.«
»Ich sage Ihnen noch etwas, Herr Henning, und dann ist dieses Gespräch für mich beendet. Auch wenn es zynisch klingen mag, aber wir haben es hier nicht mit Lieschen Müller zu tun, sondern mit Peter Bruhns. Es gibt nun mal Menschen, die auch über den Tod hinaus eine Sonderbehandlung verdient haben. Bruhns gehört
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