Eisige Naehe
Ermittlungen gesetzt. Noch nie, hörst du! Ich bin wahrlich lange genug im Geschäft und habe mit vielen Staatsanwälten zu tun gehabt. Aber so was ist mir bisher nicht untergekommen. Wir können doch nicht auf Knopfdruck einen Täter präsentieren, wo gibt's denn so was?! Ich mach das nicht mit, mir hat der eine Fehler gereicht, und an dem werde ich noch ewig zu knabbern haben. Soll er sich einen anderen Schwachkopf suchen ...« »Halt doch mal den Ball flach«, versuchte Santos ihn zu besänftigen. »Vielleicht ist es ganz einfach, und wir haben den Täter innerhalb der nächsten paar Stunden. Lass uns wenigstens die sieben Tage nutzen. Wir wollen Rüter doch keinen Triumph gönnen, bevor das Rennen nicht zu Ende ist.«
»Rüter steht ein ganzes Stück über uns, und was er sagt, hat Gewicht. Dieses gottverdammte Arschloch!«, sagte Henning mit einem Hauch Resignation, aber auch Wut in der Stimme. Er hielt kurz inne und fuhr bitter fort: »Er sagt hopp, und wir haben zu springen. Und was tun wir? Wir springen. Und wie wir springen ...« »Stimmt«, fiel ihm Santos ins Wort und machte eine beschwichtigende Geste, »aber denk daran, über ihm gibt es auch welche, die ihm vorschreiben, was er zu tun hat. Es ist ein elendes Spiel innerhalb der Hierarchien, gegen das wir machtlos sind.«
»Das tröstet mich nun aber. Soll ich dir was sagen? Das ist mir so was von egal. Hör zu, wir machen unseren Job, und damit basta. Wenn Rüter meint, der Fall müsse innerhalb einer Woche geklärt sein, und wir schaffen das nicht, sollen sich doch andere den Arsch aufreißen. Er wird schon sehen, was er davon hat.« »Nee, diesen Gefallen werden wir ihm nicht tun. Auch wenn wir rund um die Uhr arbeiten, wir werden den Kerl finden, der Bruhns und die Kleine umgebracht hat. Es sei denn, du willst kneifen.«
»Quatsch, ich will nicht kneifen, du kennst mich doch. Ich will mich nur nicht dem Diktat eines Oberstaatsanwalts beugen, das ist alles. Wir ermitteln, wir halten ihn auf dem Laufenden, mehr kann er nicht erwarten.« »Na also, geht doch«, sagte Santos und lächelte. »Jetzt mach wieder ein freundliches Gesicht und vergiss Rüter.« Henning erhob sich, stellte sich ans Fenster und sah hinaus auf das triste Kiel. Die Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf, bis die Tür aufging und Harms hereinkam. Henning drehte sich um und stützte sich mit beiden Händen an der Fensterbank ab.
»Was wollte Rüter?«, fragte Santos, kaum dass Harms die Tür hinter sich geschlossen hatte.
»Nur, dass ich ein Auge auf euch haben soll. Er hat sich über dich beschwert«, sagte er zu Henning. »Er ist der Auffassung, du hättest Probleme mit Autoritäten.« »Oh, jetzt fang ich aber an zu zittern. Wie kommt er denn darauf?«
»Das weißt du selbst ganz genau, aber ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass ich meine Hand für dich ins Feuer lege. Ich hoffe, ich verbrenne sie mir nicht.«
»Danke, Volker. Und keine Sorge, deine Hand bleibt unversehrt. Aber das mit der Frist...« »Tja, ich habe versucht, ihm klarzumachen, dass das so nicht läuft und wir keine Roboter sind. Leider hat er meine Argumentation nicht akzeptiert oder nicht akzeptieren wollen, aber er war nicht einmal zu einem Kompromiss bereit. Ihr habt sieben Tage und keinen Tag länger. Weiß der Geier, was in seinem Kopf vorgeht. Aber um keine Zeit zu verlieren, sollten wir uns an die Arbeit machen. Ich stelle die Mannschaft zusammen, Rüter hat allerdings auch noch zehn Leute, die er uns zuteilen will, sie werden morgen früh bei der ersten Einsatzbesprechung hier sein.«
»Meinetwegen, je mehr, desto besser. Vielleicht schaffen wir es ja tatsächlich bis zum nächsten Sonntag. Lisa, rufst du in Düsseldorf an?«, fragte Henning. »Hatte ich gleich vor. Ich würde aber gerne persönlich mit den Angehörigen und Freunden der jungen Dame sprechen. Du nicht auch? Ich möchte wissen, ob irgendjemand aus ihrem Umfeld von der Affäre mit Bruhns wusste.«
»Zumindest die engsten Angehörigen werden sowieso hierherkommen müssen, um ihre Tochter, Schwester oder was immer zu identifizieren.«
»Okay, dann sind wir einer Meinung. Vielleicht kriegen wir so raus, wie Bruhns immer wieder an seine jungen Hüpf er geraten ist. Der alte Sack und das Mädchen.« »Ist doch nicht ungewöhnlich«, warf Harms ein. »Schaut euch Berlusconi an, der ist über siebzig und treibt's mit Achtzehnjährigen. Hast du Geld und Macht, kriegst du, was du willst, auch junge Frauen, die alles tun, wenn sie ein
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