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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Ich fange mit dem Sekundären an. Bruhns und die Steinbauer wurden vergiftet, das heißt, ihnen wurde Atropin verabreicht ...« »Atropin?«
    »Atropin oder Belladonna. Das Gift der Tollkirsche. Es heißt, dass schon die Damen im alten Rom es sich in die Augen geträufelt haben, damit ihre Augen größer wirkten und stärker glänzten. Belegt ist es aber erst seit dem sechzehnten Jahrhundert ... Spielt auch keine Rolle, Atropin ist jedenfalls eines der stärksten Gifte überhaupt, bei Kindern können schon drei Beeren der Tollkirsche tödlich sein, bei Erwachsenen ab zehn aufwärts. Das Gift war im Wein, was den Schluss zulässt, dass der Täter die Flasche entweder mitgebracht oder das Atropin in einem unbeobachteten Moment hineingekippt hat. Getrunken hat er davon mit Sicherheit nicht, es wurde zwar ein drittes Glas gefunden, aber das stand in der Spüle und wies keinerlei Fingerabdrücke oder sonstige Spuren auf, was wiederum den Schluss zulassen würde, dass er doch getrunken und das Glas hinterher gespült hat ...« »Dann wäre er doch aber auch gestorben, oder?« »Wie das abgelaufen ist, keine Ahnung, ist mir auch wurscht. Aber ...«
    »War der Wein die Todesursache?«, wurde Jürgens von Henning unterbrochen.
    »Wenn du mich bitte ausreden lassen würdest... Ihr erinnert euch an die Gesichter von Bruhns und der Steinbauer?«
    »Wie könnte man das vergessen«, antwortete Santos. »Das Grinsen von Bruhns und der gequälte Gesichtsausdruck der Kleinen haben mir von Anfang an zu denken gegeben. Auch die Hautverfärbungen wiesen auf eine Vergiftung hin. Also bin ich im Institut mal meine Toxliste durchgegangen und bin dabei auf mehrere Wirkstoffe gestoßen, die eine solche oder ähnliche Wirkung haben können. Atropin schien mir am wahrscheinlichsten. Es wird beispielsweise von Augenärzten zur Pupillenerweiterung für Untersuchungen des Augenhintergrunds verwendet - natürlich in einer Dosierung, die absolut ungefährlich ist - oder aber in der Homöopathie. In unverdünntem Zustand kann es unterschiedliche Wirkungen haben, wie zum Beispiel unkontrollierte Heiterkeitsausbrüche, übersteigerte Euphorie, Weinkrämpfe, Krämpfe der Muskulatur, Halluzinationen, Tobsucht, Wut, heftige Schmerzen oder aber erhöhte Erregbarkeit, auch im sexuellen Bereich. Es gibt einige Berichte über stundenlange Sexualakte. Vorausgesetzt natürlich, die konsumierte Dosis ist nicht letal. Die richtige Menge abzuschätzen ist allerdings selbst für einen Experten fast unmöglich. Eine Atropinvergiftung zu diagnostizieren ist auch nicht einfach. Ein Hausarzt wird kaum in der Lage sein, eine solche zu erkennen. Um es kurz zu machen: Ich habe erst den Wein und dann das Blut untersucht und bin tatsächlich auf Atropin gestoßen. Der Täter scheint gewartet zu haben, bis die von ihm gewünschte Wirkung eintrat, dann hat er beide erschossen, was die eigentliche Todesursache war, wovon auch der hohe Blutverlust zeugt. Ob die beiden bis zum Tod bei Bewusstsein waren, kann ich nicht sagen, ist aber durchaus möglich. Warum die Kleine dran glauben musste, weiß ich nicht, vielleicht wollte er sie von ihrem Leiden erlösen, denn sie wäre so oder so gestorben, die Dosis war zu hoch, bei einer Größe von einem Meter neunundsechzig wog sie gerade mal zweiundfünfzig Kilo. Jetzt bitte keinen Kommentar zu ihrer Oberweite, das hat nichts mit dem Gewicht zu tun. Sie hatte knapp 1,2 Promille im Blut, das heißt, sie hat vor ihrem Tod ziemlich viel getrunken, dann wirkt Atropin noch stärker. Aber, und das hat mich erstaunt, sie hat auch sehr gut und viel gegessen, dabei waren in dem Raum keine Teller oder Essensreste zu sehen; dafür habe ich unter anderem Kaviar in ihrem Magen gefunden. Sie war übrigens kerngesund. Bruhns hatte nur 0,4 Promille, damit hätte er sogar noch Auto fahren dürfen. Er wäre aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an dem Gift gestorben, jedoch hätte er unbehandelt für den Rest seines Lebens unter gravierenden Spätfolgen gelitten.«
    Jürgens bestellte noch eine Runde und fuhr fort: »So, das war der erste Teil. Fragen?«
    »Nein, aber ich bin gespannt auf den zweiten. Doch, eine Frage habe ich: War die gefundene Waffe die Tatwaffe?«, sagte Santos.
    »Hätte ich beinahe vergessen. Nein, war sie nicht, das gehörte zur Inszenierung. Okay, dann mal anschnallen und gut festhalten, denn jetzt kommt der Knaller. Tönnies hat mich vorhin um halb acht auf meinem Handy angerufen, und glaubt mir, der war so aufgeregt und nervös,

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