Eisige Naehe
ihnen hatten ihn nicht verstanden, aber die anderen nickten, während ihnen die Tränen übers Gesicht liefen, sie schluchzten und konnten vor Angst kaum noch klar denken. »So, und jetzt hört auf zu heulen, keiner von euch wird so was widerfahren, wenn ihr genau das tut, was von euch verlangt wird. Kapiert?«, sagte er, ging wie ein General die Reihe ab, packte jede der jungen Frauen am Kinn, sah ihr in die Augen, um seine Macht zu demonstrieren, und sagte schließlich: »Gut, ich denke, wir haben alles geklärt.« Er wandte sich wieder den Männern zu: »Können wir fortfahren?«
»Ja«, sagte Pierre Doux als Erster. »Sehr gut.«
»Ich hätte noch eine Frage«, sagte einer, »ich brauche dringend Nachschub von ganz zartem Fleisch.« Der Auktionator grinste verschlagen. »Nächste Woche erwarte ich eine Lieferung. Ich müsste nachsehen, die Jüngste ist meines Wissens fünf, die Älteste elf oder zwölf. Ist das okay?«
»Ja, im Prinzip schon, könnte aber auch noch ein bisschen frischer sein.« »Wie viele brauchen Sie?« »Drei, vier.«
»Das kostet, bringt aber auch eine Menge Gewinn. Aber machen wir jetzt erst mal hier weiter.« Nach knapp zwei Stunden waren alle Frauen verkauft und würden am nächsten Abend an die jeweiligen Käufer übergeben werden. Die Orte der Übergabe würden erst unmittelbar vor der Übergabe telefonisch mitgeteilt. Nichts erinnerte mehr an den Tod von Svenja, als die Männer aus dem großen Raum zu dem Lieferwagen geführt wurden, um zurück zum Hauptbahnhof gebracht zu werden.
Wieder fiel kein Wort. Ob ihnen noch der Schreck in den Gliedern steckte? Oder war den meisten gleichgültig, was sie gesehen und erlebt hatten? So oder so würden sie es abhaken und sich so bald wie möglich ihrem lukrativen Geschäft und ihren neuen Errungenschaften widmen. Frauen, kaum mehr als Objekte, die nur dazu da waren, die perversen Wünsche skrupelloser Männer zu erfüllen. Allein Pierre Doux gehörte nicht dazu, aber das konnte keiner der anderen wissen. Noch nicht.
DIENSTAG
DIENSTAG, 1.20 UHR
Manfred Weidrich hatte im Laufe des Tages und des Abends zwei Flaschen Wodka und mehrere Flaschen Bier getrunken und saß in seinem Sessel schlafend vor dem laufenden Fernseher, als es klingelte. Immer und immer wieder wurde der Finger auf den Klingelknopf gehalten, bis er allmählich erwachte, sich aus dem Sessel hievte, zur Tür schlurfte und sie verschlafen öffnete. »Herr Weidrich? Manfred Weidrich?« »Ja, verdammt noch mal«, knurrte er und sah die vor ihm stehenden Männer aus kleinen Augen an. »Wer will das mitten in der Nacht wissen?«
»Unwichtig. Wir haben ein paar Fragen an Sie, gehen Sie rein, wir unterhalten uns ungern draußen. Nur ein paar Fragen, dann sind Sie uns schon wieder los und dürfen weiterschlafen.«
»Hä?«, sagte er mit einem Mal hellwach und musterte die beiden Männer mit zusammengekniffenen Augen. »Seid ihr Bullen oder was?«
»Rein, aber 'n bisschen dalli«, sagte der eine, ein Hüne von eins neunzig, und schubste Weidrich in den Flur, während der andere die Haustür schloss. »Habt ihr 'n Rad ab? Heut Nachmittag waren doch schon ein paar von eurer Sorte hier. Denen habe ich alles gesagt.«
»Mag schon sein«, sagte einer der Männer. »Da trifft es sich ja gut, dass wir gar keine Fragen haben, sondern nur die Antwort. Hier ist sie.« Er zog eine Pistole aus seiner Jackentasche und drückte dreimal kurz hintereinander ab. Weidrich sackte in sich zusammen, sein Körper zuckte ein paarmal, und schließlich wich alles Leben aus ihm.
Der zweite Mann drückte ihm eine Pistole in die Hand, feuerte sie mehrfach ab, dass Kugeln in die Wand und die Decke schlugen, und legte die Pistole danach neben Weidrich. Anschließend ging er zum Laptop, tippte ein paar Zeilen und druckte sie aus. Er zeigte das Geschriebene seinem Partner, der grinste.
»Das war's schon. Jetzt rufen wir unsere lieben Kollegen.«
Er wählte die Nummer des Kriminaldauerdienstes, schilderte einen erfundenen Tathergang und forderte ein paar Beamte der Spurensicherung, einen Arzt und einen Leichenwagen an.
Kaum eine halbe Stunde später war Weidrichs Wohnung voll von Beamten.
»Wie ist das passiert?«, fragte König vom KDD. »Wir haben einen anonymen Anruf erhalten, der so konkrete Angaben über den Mord an Bruhns und seiner Geliebten enthielt, dass wir sofort hergefahren sind. Wir wollten uns in aller Ruhe mit Weidrich unterhalten, aber er zog mit einem Mal eine Pistole, die da unten«,
Weitere Kostenlose Bücher