Eisige Naehe
jedoch hatte er bisher nie getan - er hatte nie einen Geschäftspartner liquidiert, da er unter allen Umständen vermeiden wollte, dass die Polizei auf seine Spur gelenkt wurde. Schmidt gehörten drei Nobelrestaurants, alle aufgeführt im Guide Michelin und Gault Millau. Eines in Nizza, eines in Cannes und eines in Saint Tropez. Für Schmidt war nur das Beste gut genug, er hatte hohe Ansprüche an sich und an andere. Doch er selbst ließ sich nur zu besonderen Gelegenheiten dort blicken, wenn außergewöhnliche Gäste sich angemeldet hatten oder alte Freunde oder Bekannte kamen und er es als seine Pflicht ansah, sich um diese zu kümmern. Dass er sonst zurückgezogen in Lissabon lebte, wurde von den meisten respektiert. Frauen hatten in seinem Leben stets eine wichtige Rolle gespielt, aber nur in Maria hatte er sich verliebt. Ganz gleich, was auch geschah, er würde alles daransetzen, dass sie blieb. Maria war eine reinrassige Portugiesin, sie hatte einen Stolz, der nicht überheblich war, einen über Generationen vererbten und tief in ihr verwurzelten Stolz, der sie selbstbewusst machte, ohne andere zu verletzen.
Drei Jahre war es nun her, genau genommen drei Jahre, zwei Monate und sieben Tage, seit sie bei ihm eingezogen war. Sie kümmerte sich um den Haushalt und all die Dinge, die im und am Haus zu erledigen waren. Sie bestellte Handwerker, führte Verhandlungen und hielt ihm den Rücken frei. Sie war eine phantastische Liebhaberin, die stets ohne große Umschweife zur Sache kam, weil sie von Anfang an gespürt hatte, dass er das so wollte. Sie verstanden sich blind und verhielten sich bisweilen schon wie ein altes Ehepaar, ohne jedoch in monotonen Alltagstrott zu verfallen.
Als er am Morgen aufgebrochen war, hatte sie ihn wie bei jedem Abschied lange umarmt und sich an ihn geschmiegt wie eine Katze. Er hatte den Duft ihrer dunkelbraunen, fast schwarzen Haare eingeatmet, ein ganz besonderer Duft, den er nicht einmal ansatzweise je bei einer anderen Frau gerochen hatte, der Duft einer großen, starken Frau, obgleich Maria eher klein war. Klein, zierlich, aber enorm zäh. Im Januar war sie siebenundzwanzig geworden, und damit war sie fast zwanzig Jahre jünger als Hans Schmidt. Aber auch das machte ihr nichts aus, sie sagte stets mit einem Lächeln, dass er viel jünger aussehe und niemand ihn auf siebenundvierzig schätzen würde. Maria wusste eine große Familie hinter sich, einen Vater, der mit Argusaugen darüber wachte, dass es ihr gut ging, eine Schwester und zwei Brüder, die ebenfalls ein Auge auf sie hatten, und eine Mutter, wie sie resoluter nicht sein konnte. Sie hatten Schmidt wohlwollend aufgenommen, was wohl nicht zuletzt daran lag, dass er ein kultivierter und vermögender Mann mit einem exzellenten Leumund war. Ein Deutscher, der seit vielen Jahren Portugal als seine Heimat ansah, der die portugiesische Lebensart liebte und so verinnerlicht hatte, dass er, wie Marias Vater einmal bemerkte, fast als Portugiese durchgehen könnte, dabei sei er doch nur ein halber. Schmidt hatte lachen müssen, aber Marias Vater hatte recht, er war Halbportugiese, seine Mutter stammte aus Lagos an der Algarve und war Anfang der sechziger Jahre als eine der ersten Gastarbeiterinnen nach Deutschland gekommen, hatte sofort einen Mann gefunden und einen Sohn mit ihm gezeugt.
Schmidt hatte nur noch vage Erinnerungen an seine Eltern, die bei einem Hausbrand ums Leben gekommen waren, als er neun Jahre alt war. Ihn hatte die Feuerwehr in letzter Sekunde aus den Flammen retten können, und er wurde in einem Heim etwas außerhalb von Kiel untergebracht, wo er bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr blieb. Das Grab seiner Eltern war in Kiel, und obwohl er eine Friedhofsgärtnerei mit der Pflege beauftragt hatte, ließ er es sich nicht nehmen, alle drei Monate herzukommen und nach dem Rechten zu sehen. So würde er es auch diesmal halten.
Zudem diente es dem Wahren seiner Identität, sich regelmäßig in Kiel blicken zu lassen und allen, die er kannte, zu zeigen, dass es ihn noch gab und dass er seiner Heimatstadt niemals untreu werden würde. In Kiel war er geboren und aufgewachsen, weshalb er sich mit diesem Ort verbunden fühlte, doch Lissabon war seine eigentliche Heimat, wo er irgendwann begraben werden wollte. Bevor es so weit war, würde er seine Eltern nach Lissabon holen und ihnen eine würdige Grabstätte auf einem Friedhof über der Stadt mit Blick auf die Mündung des Tejo oder den Atlantik kaufen.
Er wusste noch
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