Eisige Schatten
über sich aufragen, sah das Schlachtermesser in seiner behandschuhten Faust, und ihre Kehle schmerzte von keuchenden Atemzügen und Wimmern und rauen Schreien.
»Du wirst nie wieder über mich lachen« ,krächzte er, und sein Arm mit dem trüb schimmernden Messer hob sich.
»Nein! Oh Gott …«
Als sein Arm in einem grausamen Bogen nach unten schnellte, riss sich Cassie verzweifelt von der dem Tode geweihten Frau los. Aber sie war nicht schnell genug, um sich vollkommen zu entziehen. Sie spürte den ersten heißen Schmerz des Messers, das ihr in die Brust stach, und alles wurde schwarz.
»Ben.«
»Matt? Was ist los?«
»Triff dich mit mir in der Stadt. Bei Ivy Jamesons Haus.«
Ben nahm den Hörer in die andere Hand und schaute auf seine Armbanduhr. »Jetzt? Es ist Sonntagnachmittag, sie wird …«
»Sie ist tot, Ben.«
Ben fragte nicht weiter nach. Matts Ton verriet ihm alles, was er wissen musste. »Bin schon unterwegs«, sagte er.
Zehn Minuten später parkte er den Jeep hinter Matts Streifenwagen und noch einem anderen in der Einfahrt des Jameson-Hauses an der Rose Lane, nur zwei Straßen von der Main Street entfernt. Für gewöhnlich war es eine ruhige Gegend, von gepflegten Rasenflächen umgebene große alte Häuser, deren ältere Bewohner froh waren, nur durch einen angenehmen Nachmittagsspaziergang vom Stadtzentrum entfernt zu sein.
Ben bemerkte, dass mehrere dieser älteren Anwohner auf ihren Veranden standen und zu ihm herüberstarrten, als er aus dem Jeep stieg. Obwohl sie zu höflich oder zu verängstigt waren, näher an Ivys Haus heranzukommen, war ihr enormes Interesse deutlich zu spüren.
Einer von Matts Deputys stand an der Haustür und öffnete sie für Ben, als der auf die Veranda trat. »Richter. Der Sheriff ist drinnen.« Er wirkte ein bisschen blass um die Nase.
Ben ging ins Haus. Er kannte es, wie die meisten Häuser der politisch aktiveren Bürger von Ryan’s Bluff. Ivy Jamesons Stimme zu bekommen war nicht leicht gewesen.
Von der geräumigen Eingangshalle führte die Treppe in den ersten Stock, nach rechts ging es in ein steif möbliertes Esszimmer, nach links in ein genauso steifes Wohnzimmer, und geradeaus lagen der hintere Teil des Hauses und die Küche. Der Hartholzboden glänzte, frische Blumen in einer Kristallvase schmückten den Tisch in der Eingangshalle, und das ganze Haus strahlte eine stickige Würde aus.
Die beiden Männer, die auf dem Sofa im Wohnzimmer saßen, verdarben die würdevolle Atmosphäre. Sie waren in Strümpfen, die Gesichter schlaff und bleich vor Schock, und der jüngere brach Ivys hochheiligste Hausregel, indem er zitternd eine Zigarette rauchte und die Asche in einen bereits vollen Kristalldesserteller auf dem Couchtisch schnippte.
Ben kannte sie beide. Der eine war Ivys Schwager und der andere ihr Neffe. Keiner schaute ihn an, und Ben machte keine Anstalten, sie anzusprechen.
Ein weiterer Deputy stand direkt vor dem Wohnzimmer und deutete zur Rückseite des Hauses. Auch er sah aus, als sei ihm übel, und als Ben an ihm vorbeiging, murmelte er: »Der Sheriff sagt, Sie sollten aufpassen, wo Sie hintreten, Richter. Der Boden da hinten ist … rutschig.«
Das war er in der Tat.
Der Fliesenboden der Küche war mit Blut bedeckt.
»Oh Gott«, murmelte Ben, als er an der Tür stehen blieb. Er hatte schon früher Schauplätze von Gewalt gesehen, allerdings nicht viele, und nichts hatte ihn auf das hier vorbereitet.
Matt stand zwei Schritte von der Tür entfernt auf einer der wenigen blutfreien Stellen des Bodens. »Sieht so aus, als hätte Ivy schließlich doch noch die falsche Person stocksauer gemacht.«
Es war fraglos ein Schauplatz ungezügelter Wut. Selbst die weißen Küchengeräte waren mit Blut bespritzt, und die Stichwunden an Ivys dünnem Körper waren fast zu zahlreich, um sie zu zählen. Sie war fein angezogen, vermutlich für den Kirchgang früher am Tag. Ihr Kleid könnte einst eine helle Farbe gehabt haben; jetzt war es rot.
Sie hatte nach wie vor einen Schuh an.
»Fällt dir auf, wie er sie zurückgelassen hat?«, fragte Ben.
»Ja.« Ben versuchte, durch den Mund zu atmen, da der Gestank überwältigend war. »Aufrecht sitzend mit dem Rücken gegen ein Bein der Kücheninsel gelehnt. Die Hände im Schoß. In Positur gesetzt. Gibt es eine Münze?«
»Einen Nickel. In ihrer linken Hand.« Falls der Gestank Matt etwas ausmachte, ließ er es sich nicht anmerken.
Ben deutete auf den Fußboden. »Und Fußabdrücke. Der
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