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Eisige Schatten

Eisige Schatten

Titel: Eisige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Hooper
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unergründlich. Und obwohl die Belastung, die er ihr bei ihrem ersten Treffen angemerkt hatte, noch immer an den schwachen Schatten unter ihren Augen erkennbar war, wirkte sie nicht mehr ganz so zerrissen davon, als hätte die Hinnahme der Situation zu einer Art innerem Frieden geführt. Oder einer Art Fatalismus.
    Das beunruhigte Ben, dieses Gefühl, dass sich Cassie einem Schicksal ergeben hatte, welches ihr ihrer Überzeugung nach bevorstand. Sie hatte ihm nicht erzählen müssen, dass das Schicksal, das sie für sich sah, kein glückliches war; das war offensichtlich gewesen. Und das war der Grund, weshalb er durch die Gegend gefahren war und mit sich debattiert hatte, bevor er schließlich hierherkam. Nicht, weil ein Versuch sie höchstwahrscheinlich auslaugen würde, sondern weil er das Gefühl nicht abschütteln konnte, dass sie mit jedem Versuch einem Schicksal näher kam, das sie weit über seine Reichweite, vielleicht über die Reichweite aller hinausführen würde.
    Und sie wusste das.
    Er zwang sich dazu, diese Gedanken für den Moment beiseitezuschieben, und wollte sie gerade fragen, ob sie etwas spürte, als ihr plötzliches Lächeln ihn aus dem Konzept brachte.
    »Cassie? Sagt es Ihnen irgendwas?«
    Sie öffnete die Augen, lächelte immer noch. »Das tut es allerdings.« Sie steckte das Stoffstück in den Beutel zurück und ließ ihn achtlos zwischen sie beide aufs Sofa fallen. »Es sagt mir, dass der gute Sheriff sowohl ein misstrauisches Wesen als auch einen Sinn für Humor hat. Dessen war ich mir nicht vollkommen sicher.«
    »Wovon sprechen Sie?«
    »Es war ein Test, Ben. Ein Test für mich« Sie lächelte nach wie vor. »Ich hatte ihn sogar selber dazu aufgefordert, also kann ich mich nicht beschweren.«
    Ben griff nach dem Beweismittelbeutel. »Wollen Sie mir damit etwa sagen, dass das hier nicht von den Tatorten stammt?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Wo zum Teufel stammt es dann her?«
    »Wie gesagt, der Sheriff hat einen Sinn für Humor. Das Stoffstück stammt von seiner eigenen Pfadfinderuniform.«
    »Dieser Mistkerl.«
    »Seien Sie nicht so hart zu ihm. Ich wusste, er würde eine Herausforderung nicht zurückweisen, und ich habe ihm eine gegeben. Mich unerwartet zu testen. Darum hat er sich natürlich geweigert, mit Ihnen zu kommen. Er ist ein derart offenes Buch, dass ich seine Absicht sofort erraten hätte. Er weiß, dass ich seine Gedanken lesen kann, auch wenn er behauptet, daran sei nichts Paranormales. Deswegen ist er nicht hier, und selbst wenn ich Ihre Gedanken lesen könnte, hätte es nichts genützt, denn Sie hatten keine Ahnung, dass der sogenannte Beweis nicht echt ist.«
    Grimmig sagte Ben: »Die hatte ich mit Sicherheit nicht.«
    Cassie zuckte die Schultern. »Nun ja, den kleinen Test habe ich bestanden. Es wird ihn zwar nicht überzeugen, aber ihm wenigstens zu denken geben. Vielleicht wird das am Ende etwas wert sein.«
    Ben hörte sich sagen: »Was ist das Ende, Cassie? Können Sie mir das verraten?«
    Sie wandte den Blick ab, ihre Erheiterung verebbte. »Sie wissen doch, dass ich nicht in die Zukunft sehen kann.«
    »Aber Sie haben Ihre gesehen. Ihr Schicksal.«
    »Das ist was anderes.«
    »Wirklich? Können Sie mir sagen, ob Ihr Schicksal nicht mit dieser Ermittlung verbunden ist?«
    Ihr Profil blieb ausdruckslos, während sie ins Feuer schaute, und ihre Stimme war ruhig. »Ich kann Ihnen nichts über mein Schicksal erzählen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es meines ist. Wenn ich mit Ihnen darüber spreche, könnte das der Auslöser sein, alles so geschehen zu lassen, wie ich es gesehen habe.«
    »Und wenn das Schweigen darüber der Auslöser wäre? Können Sie sich sicher sein, dass dem nicht so ist?«
    »Nein.«
    »Dann …«
    »Ich musste eine Wahl treffen, Ben. Handeln, um das zu ändern, was ich gesehen habe, oder tatenlos bleiben. Ich habe gehandelt. Ich bin dreitausend Meilen weit gerannt. Und durch das Weglaufen, durch das Handeln, habe ich mich genau in die Situation gebracht, vor der ich weggelaufen bin.« Sie drehte den Kopf, schaute ihn endlich an und lächelte schwach. »Ich glaube nicht, dass ich noch weiter handeln werde.«
    »Durch das Angebot, uns zu helfen, haben Sie gehandelt.«
    »Nein, damit habe ich nur einen Fuß vor den anderen gesetzt. Ich bin hier. Hilfe anzubieten ist etwas ganz Logisches, Natürliches. Ich versuche nicht, das Schicksal zu ändern. Ich tue nur das, was ich tun muss.«
    »Sie haben Ihren eigenen Tod gesehen, nicht

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