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Eisige Schatten

Eisige Schatten

Titel: Eisige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Hooper
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wahr?«
    »Nein.«
    Er runzelte die Stirn. »Sie lügen mich an.«
    »Nein, tue ich nicht. Ich habe meinen Tod nicht gesehen.«
    »Was haben Sie dann …«
    »Ben, ich möchte nicht darüber reden. Das würde uns beiden nicht guttun. Hören Sie einfach auf, sich … schuldig zu fühlen, weil Sie mich zur Mithilfe gedrängt haben, in Ordnung?«
    »Ist das so offensichtlich?«
    »Für mich, ja. Können wir jetzt das Thema wechseln?«
    Er nickte langsam. »Na gut. Verraten Sie mir eines. Als Sie vorhin draußen meine Hand genommen haben, konnten Sie da meine Gedanken lesen?«
    »Nein.«
    »Dann lag es nicht daran, dass Sie neulich müde waren.«
    »Nein. Ich kann Ihre Gedanken nicht lesen. Sie haben Schutzmauern.«
    Sein Blick wurde durchdringend. »Was soll das heißen?«
    Cassie zögerte. »Ich weiß nicht, ob Sie wirklich darüber reden wollen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil … meiner Erfahrung nach Menschen aus bestimmten Gründen Schutzmauern haben. Um sich zu schützen, indem sie andere Menschen nicht an sich heranlassen. Um … so wenig wie möglich von sich preiszugeben.«
    »Wollen Sie behaupten, ich habe diese Mauern absichtlich errichtet?«
    »Absichtlich – vermutlich. Bewusst vermutlich nicht. Ben, ich mache Ihnen daraus keinen Vorwurf. Wir haben alle unsere Schutzmechanismen.« Sie betrachtete ihn mit einem leichten Stirnrunzeln, war sich bewusst, dass sie einen Nerv berührt hatte, und wusste nicht genau, ob sie fortfahren sollte. Aber etwas in seinen Augen veranlasste sie dazu. »Die meisten von uns lernen früh, Dinge über sich zu verbergen, zu verhüllen, was andere sehen, und nur diejenigen, die uns am nächsten stehen, erkennen es. Das gehört zur menschlichen Natur. Aber für manche Menschen ist es unmöglich, das, was da ist, zu verbergen oder zu verhüllen, aus verschiedenen Gründen. Vielleicht weil der innere Schmerz zu groß ist, oder vielleicht nur, weil dieser Mensch besonders sensibel oder empathisch ist. Die Gefühle sind so vielfältig und so tief, dass sie keine Abwehr haben. Daher errichtet der Verstand, wenn er stark genug ist, Mauern, um sich zu schützen.« Cassie schüttelte leicht den Kopf. »Genau wie die Abwehrmechanismen, die andere Menschen benutzen, bleiben diese Mauern für gewöhnlich unerkannt, sogar unbemerkt, außer für diejenigen, die einem am nächsten stehen.«
    »Und für jemanden, der über außersinnliche Wahrnehmung verfügt.«
    »Paragnosten blicken unter die Oberfläche. Das ist nun mal so.«
    »Und unter meiner Oberfläche ist eine Mauer.«
    »Das macht Ihnen zu schaffen.«
    »Sollte es nicht?«
    Langsam sagte Cassie: »Sie ist aus einem bestimmten Grund da, Ben. Sie wurde aus diesem Grund errichtet. Sollte sie irgendwann nicht mehr gebraucht werden, wird sie verschwinden.«
    Ben atmete tief ein. »Verstehe.«
    Cassie merkte, dass sie ihn damit nicht beruhigt hatte, wusste aber nicht, was sie sonst sagen sollte.
    »Ich nehme an, ich sollte dankbar sein. Wenn meine Mauern nicht beständen, würden Sie nach wie vor meinem Blick ausweichen und sich nach Kräften bemühen, mich nicht zu berühren.«
    Sie nickte. »Wahrscheinlich. Ihre Mauern bedeuten, dass ich mich nicht so anstrengen muss, meine aufrechtzuerhalten. Aus meiner Sicht ist das eine willkommene Erleichterung. Es ist nett, mit jemandem zu reden, ohne sich Sorgen machen zu müssen, mit dem falschen Sinn zu hören. Bisher beschränkt sich das auf Sie, Abby – und Max.«
    »Abbys Gedanken können Sie nicht lesen?«
    »Nein.«
    »Sie wäre mir nie wie jemand vorgekommen, der Schutzmauern braucht«, sinnierte er.
    Cassie lächelte. »Was nur beweist, dass ihre ganz gut funktionieren.«
    »Wird wohl so sein.« Er zögerte, sagte dann widerstrebend: »Ich sollte jetzt wohl besser gehen, damit Sie mit dem Sortieren weitermachen können.«
    Alte Einzelgängerinstinkte wollten Cassie dazu bewegen, ihm zuzustimmen, aber neue Bedürfnisse stellten sich dem in den Weg. Sein Blick war aufmerksam, und diese Ruhelosigkeit war wieder in seiner Stimme, und sie musste seine Gedanken nicht lesen, um zu wissen, dass er noch nicht gehen wollte.
    Sie fragte sich, seit wann ihr das Atmen schwerfiel, und wunderte sich ein wenig, dass ihre Stimme trotzdem normal klang. »Wenn Sie keine anderen Pläne haben, ich habe gestern einen großen Topf Suppe gekocht, viel zu viel für Max und mich. Sie könnten noch eine Weile bleiben und uns helfen, die Suppe aufzuessen.«
    In der eintretenden Stille konnten sie den Wind aufheulen

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