Eisige Schatten
aus. Sie wollen mich nicht berühren. Sie sind eine Million Meilen weit weg. Cassie, ich muss nicht über außersinnliche Fähigkeiten verfügen, um zu kapieren, dass sich etwas geändert hat. Was ist es?«
Einen kurzen Augenblick lang war Cassie versucht, ihm die Wahrheit zu gestehen. Ich habe nach dir geschmachtet wie ein dämliches Schulmädchen, und jetzt habe ich damit aufgehört, das ist alles. Aber obwohl es ihrer Natur entsprach, ehrlich zu sein, merkte sie, dass sie unfähig war, ihm das zu gestehen.
Stattdessen hörte sie sich kühl sagen: »Nichts hat sich verändert, Ben.«
»Und gestern Abend?«
Sie wusste nicht genau, was er mit dieser Frage meinte, antwortete aber trotzdem. »Ich glaube, man nennt das die Ruhe vor dem Sturm.« Sie zuckte die Schulter, war sich wieder bewusst, dass sie in eine Decke gehüllt und praktisch unbeweglich war. Das machte sie ein wenig unruhig. Und es ließ sie zu viel reden. »Für eine kleine Weile hatte ich … vergessen, dass da draußen ein Wahnsinniger herumläuft. Ich dachte nicht mehr an Verantwortung und Schutzmechanismen – und die Notwendigkeit, allein zu sein.«
»Wer sagt, dass Alleinsein eine Notwendigkeit ist?«
»Das ist eben so. Für mich ist es das. Ist es immer gewesen.« Sie wollte es beiläufig klingen lassen, unbeschwert, merkte aber, dass es sich bloß jämmerlich anhörte, als sie hinzufügte: »Ach, gehen Sie einfach, Ben. Bitte.«
Er beugte sich plötzlich vor, die eine Hand erhoben, um ihr Gesicht zu berühren. »Bitten Sie mich nicht, das zu tun, Cassie.«
Sie wurde vollkommen reglos, starrte ihn an. Sein Ausdruck war irgendwie anders, als wäre ein Teil von ihm, den sie noch nie gesehen hatte, an die Oberfläche gedrungen. Sie wusste nicht, was sie da sah, aber es rührte etwas in ihr an, das noch niemals geweckt worden war.
»Was ist das nur mit dir?«, murmelte er, offensichtlich mehr an sich selbst gewandt als an sie. »So zurückhaltend und argwöhnisch, so reserviert und voller Angst vor Berührungen. Und doch kann ich nicht anders, als dich berühren zu wollen. Berühren zu müssen. Vielleicht kannst du meine Gedanken nicht lesen, aber ich bekomme dich nicht aus meinem Kopf, Cassie.«
Seine Finger fuhren die Linie ihrer Brauen und der Wangen entlang, sein Daumen strich über ihren Wangenknochen, und als ihr Körper daraufhin erzitterte, begriff Cassie, dass einer von ihnen mit dem Feuer spielte.
»Du … solltest wirklich gehen«, brachte sie unsicher heraus.
»Ich weiß.« Bens Hand wölbte sich jetzt um ihre Wange, sein Daumen strich langsam über ihre Lippen, und sein Blick folgte eindringlich den Bewegungen. »Glaub mir, ich weiß. Ich weiß, dass der Zeitpunkt schlecht gewählt ist, dass du all deine emotionale Energie brauchst, um das zu tun, worum wir dich bitten. Ich weiß, wie müde du jetzt bist. Ich weiß sogar, dass ich vermutlich einen miserablen Liebhaber für dich abgeben würde, angesichts meiner bisherigen Leistungen auf diesem Gebiet. Ich kenne all die logischen, praktischen Gründe, warum ich gehen und dich in Ruhe lassen sollte.«
»Aber?« Sie war erstaunt, dass das Wort verständlich herauskam. Seine heisere Stimme war genauso eine Liebkosung wie seine Finger, und ihr Körper, der sich noch Augenblicke zuvor so kalt angefühlt hatte, schien jetzt zu fiebern.
»Aber es fällt mir schwer, mich davon zu überzeugen, vernünftig zu sein.« Sein Mund strich leicht über ihre Lippen und zog sich dann zurück. »Ich will dich, Cassie. Ich habe das nicht geplant, und Gott weiß, wie es enden wird, aber ich will dich. Und … ich habe dieses Gefühl, wenn ich dich jetzt loslasse, verliere ich dich für immer.«
»Ich … gehe nirgends hin.«
»Du hast versucht, mich fernzuhalten, mich auszuschließen. Glaubst du, das merke ich nicht?«
Cassie widerstand dem Drang, ihr Gesicht gegen seine liebkosende Hand zu drücken. »Um deinetwillen ebenso sehr wie um meinetwillen. Glaub mir, Ben, ich wäre diejenige, die eine miserable Geliebte abgibt. Ich wäre nicht gut für dich. Ich wäre für keinen Mann gut.«
»Vielleicht bin ich bereit, das Risiko einzugehen.«
»Vielleicht bin ich das nicht.«
Seine Lider waren schwer, seine Augen verdunkelt und sein Blick so eindringlich, dass er an ihr zu ziehen schien. »Irgendwie kann ich nicht glauben, dass uns eine andere Wahl bleibt.«
In seiner Stimme schwang etwas fast Widerstrebendes mit, was sie sagen ließ: »Du kennst mich nicht.«
»Ich kenne alles, was ich kennen
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