Eisige Schatten
kann. Mit ihren eigenen Händen, meine ich. Zu klein. Außerdem glaube ich, sie hatte ein Alibi, als Miss Kirkwood getötet wurde.«
»Wenn dem so ist, warum sollte ihr jemand dann die Schuld geben?«, fragte Bishop sanft.
»Na ja, weil sie eine Hexe ist.« Mike senkte die Stimme. »Wie ich gehört habe, wusste sie, dass es einen Mord geben würde, und warnte den Sheriff davor. Richter Ryan auch.«
»Warum haben sie es dann nicht verhindert?«
»Haben ihr nicht geglaubt, wie ich hörte. Na ja, ich meine – würden Sie ihr glauben? Aber dann wurde Becky umgebracht, also schätze ich, dass sie wusste, wovon sie sprach, zumindest zu dem Zeitpunkt. Ich würde ja gern mal wissen, wie sie das macht.«
»Sie meinen – wie außersinnliche Wahrnehmung funktioniert?«
Mike schüttelte ungeduldig den Kopf. »Nee, ich meine, hat sie eine Kristallkugel? Welche von diesen Tarotkarten? Oder braucht sie Hühnerblut oder so was dazu? Keith Hollifield, drüben bei der Fabrik, dem fehlen seit letzter Woche ein paar Hühner, und er hat verbreitet, dass die Hexe sie vielleicht braucht, um in die Zukunft zu sehen.«
»Hat jemand sie gefragt?« Bishops ironischer Ton entging dem jungen Thekenmann.
»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Mike ernsthaft. »Aber ich finde, der Sheriff sollte das tun, oder?«
»Selbstverständlich.« Bishop bezahlte den Kaffee, gab Mike ein ordentliches Trinkgeld und schlenderte dann aus dem Drugstore.
Ein Deputy, der draußen an einem Laternenpfahl lehnte, richtete sich auf, beäugte Bishop forschend und fragte ihn höflich, ob er fremd in dieser Stadt sei.
Die Zeit war abgelaufen.
Mit einem schwachen Lächeln zeigte ihm Bishop seine Identifikation.
Die Augen des Deputys weiteten sich. »Ähm. Sie werden mit dem Sheriff sprechen wollen, nehme ich an.«
»Irgendwann«, erwiderte Bishop. »Aber jetzt noch nicht.«
Obwohl die Temperatur so weit über dem Gefrierpunkt lag, dass der Schnee zu schmelzen begann, war das Bild vor Cassies Küchenfenster immer noch das eines Winterwunderlandes, als sie sich zu einem späten Frühstück hinsetzte. Ben und der Sheriff waren vor fast zwei Stunden gegangen, aber sie hatte einige Zeit gebraucht, sich durchzuringen, das Sofa zu verlassen. Und als sie schließlich aufstand, entdeckte sie, dass sie müder war als gedacht und immer noch ein wenig fror.
Ein heißes Bad half ihr, warm zu werden, und als sie Max endlich mit einer Entschuldigung sein Futter hinstellte und sich selbst Frühstück machte, fühlte sie sich besser. Zumindest körperlich.
Über das Emotionale war sie sich nicht sicher.
Jahre der Erfahrung hatten sie gelehrt, nicht bei entsetzlichen Bildern und Gedanken zu verweilen, die ihr telepathisch zugeströmt waren, daher fiel es ihr leicht, an den Mörder mit einem schwer errungenen Grad an Distanz zu denken. Aber das Wissen, dass er sein nächstes Opfer bereits ausgewählt hatte und neue Qualen für es plante, ließ sich nicht verdrängen.
Nicht leicht, jedoch absolut notwendig, um eine Art Frieden zu finden. Allerdings war diesmal dafür mehr als Konzentration erforderlich. Sie musste sich durch Gedanken ablenken, die auf ihre Art fast genauso emotional verstörend waren.
Gedanken an Ben, und was da anscheinend zwischen ihnen heranwuchs.
Cassie war immer noch erstaunt über ihre Reaktion auf ihn und noch mehr erstaunt über sein Verlangen. Sie wusste nicht, wie sie sich das erklären sollte, alles daran. Nach dem, was sie über Männer und die Dinge erfahren hatte, zu denen sie fähig waren, hatte sie es für praktisch unmöglich gehalten, sich eine Beziehung mit diesem … diesem absurden, träumerischen Verlangen vorzustellen. Mit Neugier und Begierde.
Eine sexuelle Beziehung, nahm sie an. Ben hatte deutlich gemacht, dass er sie wollte, obwohl sie sich unsicher war, wie das sein konnte. Sie machte sich keine Illusionen – und sie hatte zu viele männliche Gedanken gelesen, um nicht zu wissen, dass Männer sie einfach nicht anschauten und auch kein Verlangen empfanden. Sie war zu dünn, überhaupt nicht hübsch, beladen mit einem Bündel albtraumhafter Fähigkeiten und lächerlich unerfahren auf dem Gebiet romantischer Beziehungen.
Kurz gesagt, sie war kein lohnendes Objekt.
Und Ben … keine Frage, dass er so gut wie jede Frau haben konnte, die er wollte, und vermutlich immer gehabt hatte, trotz der Schutzmauern, die ihn gefühlsmäßig distanziert bleiben ließen. Er sah gut aus, war intelligent, sexy, sowohl mitfühlend wie
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