Eisige Schatten
Wahnsinniger Frauen auflauerte und alle derartig in Angst und Schrecken versetzte, dass sie paranoid wurden. Ihre Eltern ließen sie ohne Begleitung nicht aus dem Haus, der Rektor erlaubte keinem Mädchen, das Schulgelände ohne Begleitung zu verlassen, überall in der Stadt liefen Deputys herum und stürzten sich sofort auf einen, wenn man sich auch nur ein oder zwei Schritte von seiner Begleitung entfernte …
»Ich hasse mein Leben«, verkündete sie angewidert.
Ihre beste Freundin Sue Adams kicherte. »Nur weil Deputy Sanford dich ausgeschimpft und uns befohlen hat, im Drugstore auf Larry zu warten!«
Deanna stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. »Nein, nicht wegen ihm. Der ist doch ein Volltrottel. Ich hasse mein Leben, weil mein Leben vollkommen hassenswert ist. Hör mal, wenn wir hier schon auf meinen Bruder warten müssen, dann lass uns wenigstens eine Cola trinken.«
Sie bestellten zwei Cola bei Mike und zogen sich damit in eine der hinteren Nischen zurück, an ihren üblichen Platz.
»Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst«, sagte Sue. »Du hast wenigstens einen Bruder, der dich mitnimmt – und er macht das auch. Meine beiden Schwestern sind noch Kinder, meinen Führerschein kriege ich erst in einem Jahr, und Mama wird hysterisch, wenn ich auch nur die Möglichkeit erwähne, zu einem Date zu gehen.«
»Meine Mom auch. Man könnte meinen, wir wären Gefangene!«
»Tja«, sagte Sue vernünftig, »wir sind Gefangene. Mehr oder weniger. Wir sind beide noch keine sechzehn, wir haben keine Autos oder Jobs oder einen Freund …«
Deanna funkelte sie an und sagte hochnäsig: »Red für dich selbst.«
»In welcher Hinsicht?«
»Lass gut sein. Sagen wir nur, wenn du wirklich die Freundin wärst, die du angeblich sein willst, würdest du meinen Bruder überreden, mit uns ins Einkaufszentrum zu fahren, wenn er herkommt, und ihn dann beschäftigt halten, während ich … eine kleine Besorgung mache.«
»Aber wir sollen direkt nach Hause kommen!«
»Und zurück ins Gefängnis für das gesamte Wochenende, weil Larry arbeiten muss und uns niemand sonst irgendwohin mitnimmt.«
»Na ja, aber …«
»Na ja, aber nichts. Mir hängt die ganze Sache zum Hals raus. Das war die langweiligste Woche aller Zeiten. Ich will irgendwas tun. Was nützt uns denn ein schulfreier Tag, wenn wir den ganzen Morgen zu Hause sitzen müssen und dann den Nachmittag damit verbringen, auf Larry im Drugstore zu warten?« Sue starrte sie an. »Was hast du vor, Dee?«
Deanna schüttelte den Kopf, lächelte aber bedeutungsvoll. »Wie gesagt, ich will mir im Einkaufszentrum nur die Beine vertreten. Aber Larry fährt uns da niemals hin, wenn ich ihn darum bitte, also musst du es tun.«
Sue wurde ein bisschen mulmig. »Dee, da draußen läuft ein echter Mörder rum. Und niemand weiß, hinter wem er als Nächstes her sein wird.«
»Ach, um Himmels willen, Sue, ich will doch nicht durch irgendwelche dunklen Gassen schleichen oder das Einkaufszentrum auch nur verlassen. Ich bleibe direkt dort, praktisch in deiner Sichtweite, im Inneren und umgeben von anderen Leuten. Ich will nur nicht, dass mir mein großer Bruder über die Schulter schaut.«
»Mit wem triffst du dich?«, wollte Sue wissen.
Deanna machte ein unschuldiges Gesicht. Diesen Ausdruck hatte sie am Morgen fast eine Stunde lag beim Schminken geübt. »Ich treffe mich mit niemandem.«
»Das glaube ich dir nicht.« – »Tja, entschuldige, wenn mir das egal ist.« Da sie merkte, dass sie dabei war, ihre Erfüllungsgehilfin ernsthaft zu verprellen, ruderte Deanna zurück. »Übernachte heute bei mir, und ich erzähl dir alles, ja? Bitte Larry nur, mit uns ins Einkaufszentrum zu kommen, bevor wir nach Hause fahren. Bitte!«
»Warum erzählst du es mir nicht jetzt?«
»Weil … komm schon, Sue, du bist mir einen Gefallen schuldig. Hab ich dir nicht letzte Woche die Geschichtshausarbeit gemacht?«
Sue hatte das unbehagliche Gefühl, dass sich diese beiden »Gefallen« kaum ausglichen, knickte aber allmählich ein, wie sie es bei Deanna immer tat. »Du erzählst mir heute Abend die Wahrheit? Schwörst du es?«
»Ich schwöre.«
Nach kurzem Überlegen gab sich Sue geschlagen. »Also gut. Es wird mir bestimmt noch leidtun, das weiß ich – aber in Ordnung.«
Deanna lächelte strahlend. »Es wird dir gewiss nicht leidtun!«
»Richter Ryan?«
Ben war daran gewöhnt, von Zeit zu Zeit angehalten zu werden, wenn er in der Öffentlichkeit war, aber heute hatte er doppelt so
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