Eisige Schatten
nicht gefiel, von einem Mann getragen zu werden, wenn sie zu müde war, das Erlebnis zu genießen. Doch sie fragte nur: »Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?«
»Welches Schlafzimmer?«, gab er zurück, anscheinend unbewegt über ihre zittrige Frage.
Cassie seufzte und ließ ihren Kopf an seiner Schulter ruhen. »Das große vordere. Ich muss Max rauslassen.«
»Ich gehe mit ihm. Keine Bange.«
»Er muss gefüttert werden.«
»Ich sagte doch, mach dir keine Sorgen, Cassie. Wegen irgendwas. Schlaf einfach.«
Fast schon schlafend, murmelte sie: »Ja, aber du kannst nicht über Nacht hierbleiben. Was würden die Leute sagen?«
»Schlaf jetzt, Liebes.«
Sie versuchte zu sagen, dass er sie nicht »Liebes« nennen und auf keinen Fall die Nacht in ihrem Haus verbringen sollte, aber das Einzige, was herauskam, war ein sinnliches kleines Murmeln, dass ihr peinlich gewesen wäre, wenn sie darüber hätte nachdenken können.
Doch Denken überstieg ihre Kraft. Ihre Augen hatten sich geschlossen, und als sie ihr weiches Bett unter sich spürte, seufzte Cassie nur und ließ los, sank in den Schlaf, als wäre er ein tiefer Brunnen.
Ben zog ihr die Schuhe aus und breitete die Wolldecke noch über das Federbett. Er knipste die Lampe auf ihrem Nachttisch an, da es draußen dunkel wurde, dimmte sie aber herab.
Sie schlief bereits fest, ihr zerbrechlicher Körper vollkommen schlaff, und einen Moment lang blieb er neben dem Bett stehen und schaute nur auf sie hinab.
Wie viele dieser schrecklichen telepathischen Reisen konnte sie noch bewältigen, bevor sie davon zerstört wurde? Nicht viele. Er hatte gewusst, dass die Versuche an ihrer Energie und Stärke zehrten, doch bis zum heutigen Tag hatte er nicht geahnt, dass sie ihr auch die Lebenskraft entzogen.
Und er hatte nicht geahnt, dass die Möglichkeit, Cassie für immer zu verlieren, ein Messer in seinem Herzen sein würde.
Er hörte ein leises Geräusch und drehte den Kopf. Max stand an der Tür und starrte ihn mit ängstlichen Augen an. Ben warf einen letzten Blick auf Cassie, trat zu dem Hund und stupste ihn hinaus auf den Flur, damit er die Tür fast ganz heranziehen konnte.
»Komm, Junge«, sagte er. »Gehen wir nach unten und lassen sie in Frieden.«
Zumindest in dem Frieden, den sie in ihren Träumen finden konnte.
»Erfolg gehabt?«, fragte Ben, als der Sheriff ihn vom Autotelefon aus dem Streifenwagen anrief.
»Ja, aber nichts Gutes. Wir haben ein vermisstes Mädchen, Ben.«
»Wen?«
»Einen Teenager namens Deanna Ramsay. Sie war mit einer Freundin im Einkaufszentrum, und beide wurden von Deannas älterem Bruder begleitet. Die Freundin ist völlig hysterisch, aber nach dem, was ich aus ihr herauskriegen konnte, sieht es so aus, als hätte Deanna sie überredet, ihren Bruder abzulenken, damit sie hinausschlüpfen konnte. Sie wollte sich mit jemandem treffen, behauptet die Freundin, doch sie weiß nicht, mit wem. Der Bruder schwört, sie könnte nicht mehr als zehn Minuten fort gewesen sein, bevor wir hier eintrafen. Wir durchsuchen das Einkaufszentrum, und wir haben jeden Mann in der richtigen Altersgruppe mit oder ohne eine Central-Jacke durchsucht.« Matt hielt inne, fügte dann kurz angebunden hinzu: »Nichts.«
Ben saß auf Cassies Sofa mit dem Hundekopf in seinem Schoß, starrte in die züngelnden Flammen und versuchte, sich eine positive Entgegnung einfallen zu lassen. Ihm fiel nichts ein.
»Verdammter Mist«, sagte er schließlich.
»Das kannst du laut sagen.« Matt klang zu müde zum Fluchen. »Meine Deputys durchkämmen weiter das Gelände, und wir haben eine wachsende Gruppe Freiwilliger, wenn wir die Suche ausdehnen müssen. Ich habe John Logan angerufen, und er ist mit seinen Spürhunden hierher unterwegs. Das Mädchen hat Handschuhe im Auto ihres Bruders liegen lassen, von denen die Hunde die Witterung aufnehmen können. Aber ich wette, der Dreckskerl hat sie in irgendein Fahrzeug gezerrt, also wird sich die Spur ein paar Meter von den Ausgängen entfernt verlieren.«
Er holte Luft. »Niemand hat irgendwas Ungewöhnliches gesehen, niemand hat was Ungewöhnliches gehört. Ich werde mich gleich mit Larry zu den Ramsays auf den Weg machen, um den Eltern die Nachricht zu überbringen.«
»Falls sie es nicht bereits gehört haben.«
Matt grunzte zustimmend. »Wie geht es Cassie?«
»Sie schläft. Oder ist bewusstlos, sollte ich vielleicht sagen. Sie meinte zwar, sie bräuchte etwa zwölf Stunden Schlaf, aber ich wäre
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