Eisige Schatten
fühlte.
»Cassie, hier ist Matt. Ist Ben noch bei Ihnen?«
»Ja. Warten Sie mal kurz.« Sie hielt ihm den Hörer hin, und als er danach griff, trat sie sofort zur Seite und begann, die Spülmaschine einzuräumen.
»Matt? Habt ihr sie gefunden?« Ben hielt den Blick auf Cassie gerichtet und schüttelte den Kopf, als sie fragend aufschaute. Dann runzelte er die Stirn, während der Sheriff weitersprach. »Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Matt. Wir heizen doch nur den Klatsch an, wenn Cassie offen in dein Büro kommt. Ich weiß. Ja, das ist mir klar, aber …« Er hörte noch einen Augenblick länger zu und sagte dann: »In Ordnung. Wir kommen gleich.«
Er hängte ein und wandte Cassie seine gesamte Aufmerksamkeit zu. »Du hast es gehört. Er möchte mit uns in seinem Büro sprechen. Ich weiß nicht, warum er es mir nicht am Telefon erzählen wollte, aber er hatte recht, als er mich darauf hinwies, dass deine Verwicklung in die Ermittlungen inzwischen ein offenes Geheimnis ist.«
Cassie machte die Spülmaschine zu. »Ich hole meine Jacke.« Sie hielt ihren Ton so gleichgültig, wie es ihr möglich war. »Würdest du Max bitte kurz rauslassen? Ich möchte ihn nicht mit in die Stadt nehmen.«
Ben kam dem kommentarlos nach, und als sie zum Gehen bereit war, war er es auch. Er traf sich mit ihr an der Eingangstür und hob eine kleine Ledertasche auf, die sie neben der Treppe bemerkt hatte. Cassie fragte nicht, doch er erklärte es trotzdem.
»Seit meiner Zeit beim Bezirksgericht habe ich immer eine gepackte Übernachtungstasche im Jeep. Ich wusste nie, ob ich nicht über Nacht bleiben musste.«
Cassie schaltete schweigend die Alarmanlage ein, und sie gingen zu seinem Jeep. Das Schweigen zwischen ihnen war kein angenehmes und wurde nur einmal unterbrochen, bevor sie das Sheriffdepartment erreichten.
»Was kann ich tun, damit du Vertrauen zu mir gewinnst?«, fragte Ben.
Cassie sagte ihm nicht, dass sie nie fähig gewesen wäre, ihn als Rettungsleine zu akzeptieren, wenn sie ihm nicht bereits vertraut hätte.
Er wird dich zerstören.
Vermutlich war es schon zu spät, aber sie musste es versuchen. Ganz gleich, wie sehr das schmerzte.
»Nichts«, antwortete sie.
Abby hatten den ganzen Vormittag das Radio laufen lassen, aber der Lokalsender berichtete stündlich, dass der Teenager aus Ryan’s Bluff noch nicht gefunden worden war. Das Sheriffdepartment bat jeden, der über zweckdienliche Hinweise oder Informationen verfügte, sich zu melden, und wies in der Zwischenzeit alle an, sich ruhig zu verhalten. Deputys patrouillierten in großer Zahl.
Abby war ruhelos. Sie hatte seit dem vergangenen Abend nicht mehr mit Matt gesprochen und hatte schlecht geschlafen, war jedoch mit den Hühnern aufgestanden, obwohl sie sich müde und nicht ganz auf dem Damm fühlte. Den Morgen über hatte sie sich mit den üblichen Wochenend-Hausarbeiten beschäftigt gehalten, war aber mit dem ganzen Putzen und Waschen noch vor Mittag fertig und hatte nun nichts mehr, was ihre Aufmerksamkeit fesselte.
Das Wetter war trübe, kalt und bedeckt, Niederschläge drohten, und der letzte Schnee hatte sich hier und dort festgesetzt, als wartete er auf Verstärkung. Im Radio hieß es, die Straßen seien frei, doch dem folgte die Durchsage, das Sheriffdepartment bitte alle, sich von den Straßen fernzuhalten, wenn keine zwingenden Gründe vorlägen.
Abby konnte sich die Anrufe vorstellen, die Matt erhielt, von verängstigten Bürgern bis hin zu wütenden Geschäftsleuten. Egal, was er tat, immer würde jemand mit ihm unzufrieden sein, und wenn es ihm nicht gelang, sehr bald die Straßen für alle sicher zu machen …
Sie machte sich Sorgen um ihn. Mit einer solchen Situation hatte er nicht gerechnet, und nichts aus seiner Erfahrung hatte ihn darauf vorbereitet. Er war ein intelligenter Mann und ein scharfsinniger Polizist, und er machte nicht viele Fehler – doch diejenigen, die er beging, geschahen aus der Überzeugung, dass er wusste, was für die Stadt am besten war.
Das Problem war, dass es in dieser Situation nichts »Bestes«, keine richtige Antwort für die Stadt gab – außer, einen besonders brutalen und zweifellos wahnsinnigen Mörder zu fassen.
Abby wurde ganz kalt bei dem Gedanken an Matt in dieser Konfrontation. Denn er würde natürlich dabei sein. Wenn es ihnen gelang, den Mörder ausfindig zu machen, würde Matt als Erster durch die Tür stürmen – nicht weil es seine Aufgabe war, sondern weil es in seiner
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