Eisige Schatten
drängte Matt.
»Und ich wusste, dass sie tot war.« In ironischem Ton fügte sie hinzu: »Die Polizei war natürlich misstrauisch, als ich die Behauptung aufstellte. Aber als sie anfingen, nach einer Leiche zu suchen, fanden sie eine. Genau da, wo ihr Mann sie abgeladen hatte.«
»Er wurde noch nicht angeklagt«, sagte Bishop.
»Sie wissen und ich weiß, dass er sie getötet hat.«
»Vielleicht.«
Cassie warf dem Agenten einen kurzen Blick zu, wandte sich dann wieder an Matt. »Jedenfalls bat mich Agent Bishop, an einem Test teilzunehmen. Ich weigerte mich und kehrte nach L.A. zurück.«
»Warum haben Sie sich geweigert?«
»Auf Anraten meiner Mutter. Sie war davon überzeugt, dass man außersinnliche Fähigkeiten erst verstehen würde, wenn die medizinische Wissenschaft sehr viel mehr über das Gehirn gelernt hätte. Was die Wissenschaft nicht versteht, pflegt sie gern mit allen Mitteln zu widerlegen. Der ganze Vorgang führt zu großer Anspannung und starkem Druck, was beides außersinnliche Fähigkeiten beeinträchtigt.«
Bishop gab ein skeptisches Geräusch von sich.
Cassie schluckte den Köder nicht. »Wie gesagt, ich kehrte nach Hause zurück. Zwei Monate später wurde ich gebeten, bei einem Mordfall beratend tätig zu werden. Und Agent Bishop tauchte wieder auf- wie ein falscher Fuffziger.«
»Das nehme ich Ihnen übel«, murmelte er.
Cassie beachtete ihn nicht. »Es war ein schwieriger Fall, der noch dadurch erschwert wurde, dass ich Grippe hatte und die Mitarbeit hätte ablehnen sollen. Was keine Entschuldigung ist, aber dazu beitrug, dass ich versagte.«
»Wie haben Sie versagt?«, fragte Matt.
»Indem ich etwas fehlinterpretierte, was ich sah. Was ich ihnen erzählte, führte dazu, dass sich die Polizei auf den falschen Verdächtigen konzentrierte und der wahre Mörder Zeit hatte, erneut zu töten. Was er auch tat.« Sie hielt den Blick fest auf den Sheriff gerichtet. »Es war nicht das erste Mal, dass so etwas passierte, und es wird nicht das letzte Mal sein. Kein Paragnost liegt in hundert Prozent der Fälle immer hundert Prozent richtig.«
Wieder zuckte Cassie leicht mit den Schultern. »Danach kamen noch ein paar Fälle, bei deren Lösung ich manchmal mithelfen konnte und manchmal nicht. Bishop tauchte immer wieder auf und wollte, dass ich mich testen lasse. Also stimmte ich schließlich zu. Und ich fiel bei allen Tests durch. Wie gesagt, ich funktioniere nicht gut unter Labor-Bedingungen. Prüfungen haben mir immer die Luft abgeschnürt.«
»Sie haben das College abgeschlossen«, betonte Bishop. »Irgendwann müssen Sie die Prüfungen bestanden haben.«
»Mir das anzutun hat mir ein Diplom eingebracht. Mich noch mal Ihren Tests auszusetzen würde mir absolut gar nichts einbringen.«
»Außer wissenschaftlicher Geltung und Anerkennung.«
»Und dann was? Soll ich in Talkshows auftreten? Tonnenweise Post von armen verlorenen Seelen bekommen, die glauben, ich könnte ihnen irgendwie helfen? In weiteren Laboren sitzen, während sich weitere Wissenschaftler noch mehr Tests einfallen lassen, um meine Fähigkeiten zu messen und abzuwägen und zu analysieren? Wozu? Gleichgültig, was Sie denken, Bishop, ich will nicht anerkannt werden. Ich will nicht bestätigt werden. Und ich will ganz sicher nicht berühmt werden.«
»Dann«, sagte er sanft und deutete auf sie alle, »warum das hier? Warum sich auf eine Polizeiermittlung einlassen?«
»Weil ich helfen kann. Nicht immer, aber manchmal. Weil ich in dem Glauben erzogen wurde, dass es meine Pflicht ist. Und weil es mir unmöglich ist, mich nicht darauf einzulassen.« Sie holte Luft und fügte leise hinzu: »Und es ist mir letztlich vollkommen egal, ob meine Gründe Sie befriedigen oder nicht.«
»Mich befriedigen sie«, sagte Matt zum allgemeinen Erstaunen.
»Und mich«, stimmte Ben zu, der es satthatte, sich in diesem Raum unsichtbar zu fühlen.
Cassie warf ihm zum ersten Mal einen Blick zu, hatte ein Flackern in den Augen, das er nicht interpretieren konnte. Dann sah sie wieder zu Matt. »In dem Fall würde ich sagen, dass wir über Wichtigeres zu reden haben. Weiß man immer noch nichts über das arme Mädchen?«
»Nein, nichts. Glauben Sie, es könnte Ihnen gelingen, noch mal Verbindung zu dem Mörder aufzunehmen?«
Bevor Ben etwas einwenden konnte, erwiderte Cassie: »Ich hab es heute schon zwei Mal versucht, und …«
»Was?« Er starrte sie an. »Wann? Und ohne Rettungsleine? Verdammt, Cassie!«
Wieder wich sie seinem Blick
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