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Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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was auf das Leuchten folgte: Finsternis.
    Bevor seine Augen das Schwarzblau annahmen, vor dem sie sich fürchtete, riss sie sich von ihm los oder versuchte es zumindest. Sein Griff war jedoch zu fest. Sie kam nicht von ihm frei – egal, wie stark sie sich gegen ihn wehrte.
    Plötzlich trat hinter dem Engel ein Mann mit grauem Haar und tiefen Falten im Gesicht aus dem Unterholz hervor. Der Lauf seines Gewehrs zielte genau auf Shade.

Drittes Kapitel
    Kein Leben ohne Liebe
    »Lass sie los, Roque!«, befahl der Alte. Merkwürdigerweise lächelte er dabei, als würde er seinen Sohn rügen, aber nicht ernsthaft böse auf ihn sein.
    Erst durch seine Worte begriff Shade, dass das Gewehr gar nicht auf sie, sondern auf den Eisengel gerichtet war. Wie hatte er ihn genannt? Roque. Woher kannte er den Namen des Wesens?
    Zuerst verstärkte sich Roques Griff, als wollte er nicht freiwillig hergeben, was seins war. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er den Greis eine Weile an. Dabei zogen scheinbar fluoreszierende Nebel über seine dunklen Pupillen, die Shade an Polarlichter erinnerten. Überlegte der Engel, ob er seinem Gegner schneller die Flinte aus den Händen schlagen, als dieser auf ihn schießen konnte? Vermochte eine gewöhnliche Gewehrkugel ihm überhaupt zu schaden?
    Erneut versuchte Shade, sich loszumachen, diesmal jedoch vorsichtiger, damit die Situation nicht wegen ihr kippte. Roque schaute sie eindringlich an. Sein Blick – finster, wie er war – ging ihr durch und durch. Obwohl Roque ihr Angst einjagte, fand sie ihn noch immer ausgesprochen anziehend. Faszinierend. Magisch.
    Oh, mein Gott, dachte sie, vor ihr stand ein Mann mit Flügeln. Ein wahrhaftiger Engel? Sie konnte es immer noch nicht fassen! Aber Roque war nicht so rein, so ätherisch und strahlend, wie seine Erscheinung auf den ersten Blick durch seine Alabasterhaut und seine silbrig schimmernden schneeweißen Haare wirkte. Wie der Wolf im Schafspelz. Seine Seele war dunkel, Shade hatte es in seinen Augen gesehen.
    »Roque, bitte!«, sagte der Alte nun schon etwas mahnender.
    Endlich gab der geflügelte Mann sie frei. Für einen Moment spürte Shade eine Enttäuschung, die sie überraschte. Als sie ihre Hände von seinem Brustkorb nahm, stieß sie versehentlich an seine rechte Brustwarze, worauf seine Iriden wieder bunt flimmerten. Hitze stieg ihr ins Gesicht.
    Sie ging vorsichtig rückwärts, bemüht, keine abrupten Bewegungen zu machen, verwirrt darüber, dass der Eisengel sich sofort geschlagen gab. In welcher Beziehung stand er zu dem Alten? Da dieser ihn beim Namen genannt hatte, mussten sie sich kennen.
    Roque lief fort von ihnen, breitete seine Schwingen aus und hob ab. Mit offenem Mund schaute Shade ihm hinterher, wie er immer höher aufstieg und schließlich über den Wipfeln der Bäume davonflog. Sie neigte ihren Kopf zur Seite, um einen Blick auf seinen Lendenschurz zu erhaschen. Er musste beim Fliegen herabhängen, genauso wie das, was er darunter verbarg. Aber die Antwort auf die Frage, ob Roque zwischen seinen Schenkeln genauso gut gebaut war wie sein restlicher Körper, blieb ihr verwehrt.
    Am liebsten hätte sie sich in den Schnee fallen gelassen und ihre heißen Wangen mit der weißen Masse eingeseift, um zum einen ihr in Wallung geratenes Blut abzukühlen und zum anderen wieder klar denken zu können. Aber genau hier lag das Problem: Sie war bei vollem Verstand! Weder träumte sie, noch hatte sie Halluzinationen. Roque war so echt wie der Winter, der viel zu früh auf dem Mount Jackson ausgebrochen war. Es hätte ihn nicht geben sollen, aber er war nun einmal da, ebenso wie der mysteriöse geflügelte Krieger.
    »Kommen Sie, Kindchen, ich habe noch Bourbon bei mir zu Hause. Ab und zu verfeinere ich damit meinen Tee oder meinen Kaffee.« Der alte Mann sicherte sein Gewehr und hängte den Riemen über seine Schulter. »Sie sehen aus, als könnten Sie etwas Hochprozentiges gebrauchen.«
    Er wartete nicht auf sie, sondern ging zügig den Hang hinab. Shade schätzte ihn auf Anfang siebzig, aber er schaffte den Abstieg so behände, als wäre er erst fünfzig, was nicht nur an seinen Schneeschuhen lag.
    Sie beeilte sich, ihm zu folgen, da sie unbedingt mehr über Roque erfahren musste. Die Kamera um ihren Hals schwang bei jedem ihrer Schritte hin und her. Im Nachhinein ärgerte sie sich, dass sie zu langsam reagiert und keine Fotos von dem Eisengel geschossen hatte, als dieser weggeflogen war. Imposant wie der Weißkopfseeadler mit seinen

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