Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wo man sie erst gar nicht hätte entlassen sollen. Soweit ich es beurteilen kann, hat sie fünf oder noch mehr Tage mit einer Leiche zusammengewohnt. Allem Anschein nach hat sie den Toten mit Tee und Zuckergebäck bewirtet. Sie könnte natürlich die brillanteste Schauspielerin der Welt sein, aber meiner Meinung nach ist sie meschugge und erzählt nur völlig sinnloses Zeug. Trotzdem hat sie den Mann vermutlich irgendwie getötet und wird wahrscheinlich den Rest ihres Lebens in der Klapse verbringen, aber …«, Karlsson hielt einen Moment inne, »… ich würde gern wissen, was Sie von ihr halten.«
»Dafür bin ich nicht die geeignete Person«, entgegnete Frieda, ohne auch nur den Kopf zu wenden.
»Sind Sie denn gar nicht neugierig?«
»Nicht übermäßig. Außerdem bin ich wirklich nicht entsprechend qualifiziert. Mit extremen psychischen Störungen habe ich mich nie befasst. Ich beschäftige mich mit dem Unglück ganz normaler Menschen. Es gibt da aber eine Menge Experten. Vermutlich könnte ich ein paar Namen für Sie ausgraben – wobei Sie doch bestimmt Ihre eigenen Fachleute für so etwas haben.«
»Es geht mir nicht um eine Untersuchung«, erklärte Karlsson. »Die wird wahrscheinlich gerade durchgeführt. Ich möchte vielmehr, dass jemand mit der Frau redet. Das können wir nicht. Nun ja, im Prinzip schon, nur wissen wir nicht, was wir zu ihr sagen sollen, und ebenso wenig verstehen wir, was sie uns antwortet. Das fällt in Ihr Ressort.«
»Ich weiß nicht so recht«, meinte Frieda zögernd.
»Sie sprechen über Unglück«, fuhr Karlsson fort. »Wissen Sie, was Yvette gesagt hat? Ich meine, DC Long. Sie erinnern sich doch an sie? Sie hat gesagt, ihrer Meinung nach sei Michelle der unglücklichste Mensch, der ihr je untergekommen ist. Ich selbst habe das nicht ganz in diesem Ausmaß gesehen, aber Yvette hat es so formuliert. Diese Michelle mag vielleicht nicht normal sein, aber unglücklich ist sie auf jeden Fall.«
Als Frieda sich nun Karlsson zuwandte, wirkte ihre Miene fast alarmiert. »Wofür halten Sie mich? Für eine Art Unglücksjunkie?«
»Nur auf eine gute Weise«, antwortete Karlsson.
»Sagen Sie mir eins.«
»Was?«
»Geht es Ihnen gut?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie wirken gestresst.« Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: »Noch mehr als sonst, meine ich.«
Für einen Moment spielte Karlsson mit dem Gedanken, sich ihr anzuvertrauen. Es würde ihm Erleichterung verschaffen, mal mit jemandem darüber zu reden und sich ein paar mitfühlende Worte und Ratschläge anzuhören. Plötzlich aber empfand er ein Gefühl von Unbehagen: Frieda war von Beruf Zuhörerin, und er wollte nicht mit einer Person sprechen, die das beruflich machte. Er wünschte sich jemanden, der auf seiner Seite wäre, einen Vertrauten. Statt einer Antwort lächelte er nur, zuckte mit den Achseln und fragte: »Also, machen Sie es?«
Mit einem Gefühl von Erleichterung steuerte Frieda durch die Kopfsteinpflastergasse auf ihr Zuhause zu – ein schmales Häuschen, eingeklemmt zwischen einem Wohnblock und Garagen. Sie fummelte nach ihrem Schlüssel und sperrte auf. In der Diele hängte sie ihren Mantel an einen Haken, zog ihre Stiefel aus und schlüpfte in die bereitstehenden Hausschuhe. Jeden Morgen, ehe sie zur Arbeit aufbrach, machte sie den Kamin für ihre Rückkehr bereit. Nun ging sie ins Wohnzimmer, knipste die Stehlampe an und kniete sich vor den Feuerplatz, um ein Streichholz an die zusammengeknüllte Zeitung zu halten und zuzusehen, wie die Flammen sich nach oben schlängelten und allmählich die Holzspäne erreichten. Frieda hatte den Ehrgeiz, immer nur ein einziges Streichholz zu verwenden, und wartete, bis sie sicher war, dass das Holz Feuer gefangen hatte, ehe sie in die Küche ging und den Wasserkessel füllte. Ihr Anrufbeantworter blinkte. Sie drückte auf den Knopf zum Abhören der Nachrichten und wandte sich dann dem Schrank zu, um eine Tasse herauszuholen.
»Hallo, Frieda.« Die Stimme ließ sie erstarren. Reglos stand sie da, die Hand gegen den Magen gepresst. »Du hast auf meine Mails nicht geantwortet, deswegen dachte ich mir, ich rufe dich mal an. Ich muss dir unbedingt sagen …«
Frieda drückte auf den »Stopp«-Knopf. Die Stimme brach mitten im Satz ab. Frieda starrte auf das Gerät, als könnte es plötzlich wieder zum Leben erwachen. Nach ein paar Augenblicken trat sie ans Spülbecken, drehte das kalte Wasser auf und klatschte es sich ins
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