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Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)

Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)

Titel: Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Rauschen des Blutes in ihrem Körper. An die nächtlichen Geräusche hatte sie sich ebenfalls gewöhnt – den Wind, der durch die Bäume und das dichte Gestrüpp fuhr und manchmal wie ein Stöhnen klang, das Rascheln der Mäuse am Ufer, der plötzliche Schrei einer Eule. Es gab hier noch andere Tiere. Füchse und fette Ratten mit langen, dicken Schwänzen. Reiher und weiße Schwäne, die einen mit bösen Augen anstarrten. Räudige Katzen. Sie hatte mal eine Katze mit einer weißen Schwanzspitze und seidigen Ohren gehabt, die sich immer sorgfältig putzte und schnurrte wie ein gleichmäßig laufender Motor. Aber das war vor langer Zeit gewesen, in einem früheren Leben. Inzwischen war sie ein anderer Mensch. Ganz vorsichtig trat sie hinaus in den Steuerbereich des Bootes und von dort auf den Treidelpfad. Sie trug dunkle Kleidung – eine marineblaue Trainingshose und einen dicken grauen Kapuzenpulli –, so dass sie selbst dann, wenn jemand schaute, vermutlich nicht zu sehen war. Sie ließ es nie an Vorsicht mangeln. Entscheidend war, immer auf der Hut zu sein und sich niemals sicher zu fühlen. Während sie langsam den Weg entlangging, spürte sie, wie das Gefühl von Steife aus ihrem Körper wich. Sie musste fit und kräftig bleiben, was aber schwer war, wenn man den ganzen Tag nicht rauskonnte. Hin und wieder machte sie drinnen Liegestütze, und zwei- bis dreimal täglich absolvierte sie je zwanzig Klimmzüge, wobei sie den Rand der leicht geöffneten Luke als Stange benutzte und laut vor sich hin zählte, um ja nicht zu schummeln. Ihre Arme waren stark, aber sie glaubte nicht, weit oder schnell laufen zu können. Manchmal erwachte sie nachts mit einem Gefühl von Beklemmung in der Brust und bekam kaum Luft. Am liebsten riefe sie dann um Hilfe, wusste aber, dass sie das nicht durfte.
    Sie marschierte an den anderen Booten vorbei, die mit dicken Seilen am Ufer vertäut waren. Die meisten von ihnen standen Woche für Woche leer, und manche verfielen allmählich. Ihre Farbe blätterte ab, und das Holz verfaulte. Andere beherbergten Leute: Auf ihren flachen Dächern standen Topfpflanzen, und an Deck lagen Fahrräder herum, deren Speichen surrten, wenn der Wind hindurchblies. Selbst in der Dunkelheit wusste sie, auf welchen Booten Leute wohnten. Es war ihre Aufgabe, wachsam zu sein. Ihre anfängliche gemeinsame Zeit hier war sehr aufregend gewesen, eine Mischung aus Versteckspiel und Haushaltsgründung. Es sei ihr sicherer Unterschlupf, hatte er gesagt: Niemand sonst wisse, wo sie sich aufhielten, und egal, was passieren würde, hierher könnten sie sich jederzeit zurückziehen und warten, bis die Gefahr vorüber sei. Dann aber hatte er sie dort allein gelassen und war immer nur einmal pro Monat für ein paar Tage zurückgekehrt. Zuerst hatte sie sich gefragt, wie sie die Zeit herumbringen solle, in der sie allein war, doch erstaunlicherweise gab es eine Menge zu tun. Zum einen galt es, das Boot sauber zu halten, was sich als gar nicht so einfach erwies, weil es alt war und lange leer gestanden hatte, bevor sie es fanden. An den Seiten gab es feuchte Stellen, und auch von unten drang Wasser ein, insbesondere durch die Fugen rund um die Dusche und die Toilette und durch die Bodenplanken im Küchenbereich. Die Fenster waren schmale Rechtecke, durch die niemand von draußen hereinsehen konnte. Die Tür blieb immer geschlossen. Wenn sie in dem winzigen Becken mit den Seifenstückchen, die er ihr brachte, ihre Kleidung wusch und anschließend über die Stühle und den Tisch zum Trocknen legte, roch die Luft feucht und leicht faulig.
    Früher hatte es in ihrem Leben Raum und Behaglichkeit gegeben, Licht, das durch große Fenster hereinflutete, und Rosen im Garten. Sie erinnerte sich an saubere Bettwäsche und weiche Kleidung wie an Reste eines Traums. Nun lebte sie in der dunklen, engen Kabine. Mit den langen Winternächten, in denen es so kalt war, dass ihr Atem Dampfwolken bildete und die Innenseite der kleinen Fenster vereiste. Mit den Kerzen, die verstohlen vor sich hin flackerten, weil sie es nicht einmal wagte, die dynamobetriebene Taschenlampe zu benutzen, die er ihr gegeben hatte. Mit der Angst – dem schmerzhaften Druck in ihrem Magen. Ja, man konnte sich sogar an die Angst gewöhnen. Man konnte sie umwandeln in etwas Starkes, Nützliches und Gefährliches.
    Sie machte kehrt. Die Regentropfen wurden immer mehr, und sie wollte nicht zu nass werden. Der kalte Winter zog sich schon so lange hin. Seit Wochen waren die

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