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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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um Dornröschen und ihren Märchenprinzen nicht gelöst hatte.
    Er wusste, dass der Eisblock auch jetzt noch auftaute. Sobald sie wieder in der Station waren, musste er zu ihm und weitere Fotos vom Stand der Transformation machen. Es klang seltsam, aber für ihn war das Eis wie ein Kokon, aus dem zwei Liebende schlüpfen würden. Denn dass sie ein Liebespaar waren, stand für ihn fest. Wer sonst würde so, mit Ketten aneinandergefesselt, einem feuchten Grab übergeben werden? Er versuchte, sich ein Szenario vorzustellen, das allem einen Sinn geben würde. Waren
sie von einem eifersüchtigen Ehemann erwischt und ins Meer geworfen worden? Oder war es auf Befehl einer verschmähten Gattin geschehen? Vielleicht hatten sie irgendeinen Verhaltenskodex missachtet, einen Kodex auf See vielleicht oder, angesichts der Goldtressen an der Uniform des Mannes, des Militärs. Welchen Vergehens konnten sie sich schuldig gemacht haben, dass im Gegenzug solch ein furchtbares Verbrechen an ihnen begangen worden war?
    Die Hunde beschrieben einen weiten Bogen um einige ungewöhnlich hohe Sastrugi, Verwehungen aus Schnee und Eis, und Michael wurde wieder daran erinnert, dass die Hunde die Route besser kannten als jeder andere. Sie wollten nach Hause, zu ihrem behaglichen Zwinger mit dem strohbedeckten Boden und den Futterschüsseln. Die meiste Zeit musste er nichts anderes tun, als sich am Handgriff festhalten und auf den Kufen stehen bleiben. Von Danzig hatte er schon lange keinen Piep mehr gehört, und er hatte den Eindruck, dass der Mann eingeschlafen war. Das Kinn ruhte auf der Brust, und das Gesicht war fast vollständig in der Kapuze verschwunden. Ob das ein Zeichen des Vertrauens in Michael oder die Hunde war, war nicht klar, aber Michael hoffte, dass er den ganzen Weg bis zur Station schaffte, ohne ihn aufzuwecken.
    Weit entfernt zu seiner Linken sah er auf dem Packeis ein winziges rotes Licht aufleuchten. Wenige Minuten später sah er es noch einmal, und er begriff, dass es das Signallicht oben auf der Tauchhütte sein musste. Michael hatte zugesehen, wie Darryl einige der Fallen aus dem Meer gezogen hatte. Mehrere von ihnen enthielten betäubte und nach Luft schnappende Fische mit durchscheinenden Kiemen und weißen Augen. Darryl hatte diejenigen, die den Ausflug an die Luft überlebt hatten, in Eimer geworfen. Wie, so hatte Michael sich gewundert, konnte ein bekennender Vegetarier und Kämpfer für die Rechte der Tiere solche Arbeit tun?
    »Durch vernünftige Betrachtung«, hatte Darryl erklärt. »Ich sage mir, dass ich, indem ich ein paar studiere, viele retten kann. Der erste Schritt, um die Welt dazu zu bringen, die natürlichen Ressourcen zu bewahren, besteht darin, die Menschen daran zu erinnern, dass diese Ressourcen gefährdet sind.« Er hob einen toten Fisch am Schwanz in die Höhe und legte ihn behutsam in einen mit Eis gefüllten Extraeimer. »Und wenn ich schnell bin, kann ich immerhin noch eine interessante Blutprobe nehmen, selbst von diesem hier.«
    Als der Schlitten auf gleicher Höhe mit der Tauchhütte war, bogen die Hunde ins Landesinnere ab. Mehrere Tiere kläfften in freudiger Erwartung. Die Kufen zischten durch den Schnee, als der Schlitten eine kleine Anhöhe überwand. Jetzt konnte Michael die Station erkennen. Von hier aus sahen die verschiedenen Gebäude, Schuppen und Lager aus wie Legosteine, mit denen er als Kind gespielt hatte, lagen verstreut ohne erkennbare Ordnung. Eine Ansammlung grauer und schwarzer Kästen mit riesigen gelben selbstleuchtenden Kreisen auf den Dächern. Diese Markierungen waren nötig, damit die Versorgungsflugzeuge die Station auch im langen antarktischen Winter fanden.
    Es war schon hart genug, hier im Sommer zu leben, mit dem niemals endenden Licht, und Michael konnte sich kaum vorstellen, wie es irgendjemand im Winter am Südpol aushalten konnte.
    Danzig rührte sich auf der Ladefläche und hob den Kopf. »Schon da?«, murmelte er.
    »Fast.«
    Jetzt konnte er die amerikanische Flagge erkennen, so steif vom Wind, dass sie ganz glatt aussah.
    »Aber da du schon einmal wach bist«, sagte Michael, »was rufst du, wenn du die Hunde zum Halten bringen willst?«
    »Versuch’s mal mit ›Whoa‹.«
    »Versuchen?«
    »Es klappt nicht immer. Zieh kräftig an den Leinen und tritt
auf die Bremse.« Michael sah nach unten auf eine Metallstange mit zwei Haken, die als Bremse dienten. Er machte sich bereit, daraufzutreten, sobald der Schlitten sich dem Zwinger auf etwa hundert Meter

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