Eisiges Blut
hatte.
Die Männer schoben die Kapuzen zurück und nahmen sich seltsame schwere dunkle Brillen von den Augen. Der Fahrer war jung, vielleicht so alt wie Sinclair, groß und mit längerem schwarzen Haar. Der andere Mann, mit vollem Bart und breiten slawischen Wangenkochen, war älter und stämmig. Keiner von ihnen trug etwas, das einer Uniform ähnelte oder auf andere Weise ihre Nationalität verraten könnte, doch das musste nichts zu bedeuten. Sinclair hatte Soldaten kennengelernt, die so erschöpft waren, dass sie sich ihrer Ausrüstung entledigt hatten und eher einer Bande von Raufbolden glichen als Soldaten Ihrer Majestät, als sie die Front erreichten.
Der bärtige Mann löste das Hundegeschirr, und Sinclair fühlte sich an seine eigenen Pferde und Kutschen erinnert, daheim auf dem Landsitz seiner Familie in Wiltshire. Der Schlittenführer füllte einen Stoß Fressnäpfe mit Futter aus einem Sack. Einer nach dem anderen wurden die Hunde an Pfähle gebunden, jeweils mit gut einem Meter Zwischenraum. Ihre Augen waren auf die Näpfe gerichtet, die der junge Mann jetzt verteilte. Während sich die Hunde ihre Mahlzeit schmecken ließen, hängte der bärtige Mann seinen Mantel an einen Wandhaken, darunter trug er noch einen zweiten Mantel. An der Wand entdeckte Sinclair eine Sammlung
weiterer Kleidungsstücke, Mützen und Handschuhe und sogar noch eine dieser grünen Brillen.
Langsam wurde ihm klar, dass er diesen Schuppen überfallen musste. Dort gab es Essen, selbst wenn es nur für die Hunde gedacht war, und Kleidung. Und da war seine Truhe.
»Was siehst du?«, flüsterte Eleanor.
»Unser nächstes Angriffsziel.«
Er kletterte vom Stuhl und begann, seine Kleidung wieder anzulegen.
»Sind die Sachen schon trocken?«, fragte Eleanor. »Wenn sie nicht trocken sind … «
Er zog seinen Degen aus der Scheide, er schien kurz festzustecken, dann glitt er hinaus und wieder hinein. Sinclair hoffte, dass er ihn nicht würde ziehen müssen, doch es war besser, sich zu vergewissern, falls es dazu kommen sollte.
»Was soll ich machen?«, wollte Eleanor wissen, und ihre Stimme klang nicht nur leise, sondern auch schwach. Er wusste, dass weder seine noch ihre Kräfte bisher wirklich auf die Probe gestellt worden waren. Würde sie in der Lage sein, zu reisen, wie es ihnen ohne Zweifel bevorstand? In diesem Klima, das ebenso feindlich zu sein schien wie jenes, dem sie zuletzt ausgesetzt gewesen waren?
»Ich möchte, dass du dich wieder anziehst«, sagte er und nahm ihren Schal vom Stuhl, über den sie ihn zum Trocknen ausgebreitet hatte, »und mit mir kommst.« Sie erhob sich schwankend, und er legte ihr den Schal, der vom Feuer noch ganz warm war, um die Schultern. Als sie in ihre Schuhe schlüpfte, bückte er sich, um sie für sie zuzuschnüren.
»Vielleicht sollten wir besser hier warten«, sagte sie. »Wer sagt denn, dass man uns etwas antun will?«
»Einer Krankenschwester«, sagte er, während er immer noch mit ihren Schuhen beschäftigt war, »würde vermutlich nichts geschehen. Nicht, wenn sie den leisesten Funken Anstand haben.
Aber für eine Krankenschwester mit deinem besonderen Leiden«, fuhr er fort, stand auf und blickte in ihre smaragdgrünen Augen, »mag die Sache ganz anders ausgehen. Wie willst du ihnen das erklären?« Was einem britischen Offizier, der ebenfalls unter dieser besonderen Krankheit litt, drohen könnte, falls er in die falschen Hände geriet, brauchte er nicht weiter auszuführen. Wenn er aus seiner Zeit im Osten eines gelernt hatte, etwas, auf das er sich gewiss verlassen konnte, dann war es die grenzenlose Grausamkeit der Menschen untereinander.
Und er hatte gelernt, niemandem zu vertrauen. Wenn das Leben keinen Pfifferling mehr wert war, war es von entscheidender Bedeutung, eigene Erkundungen anzustellen und eigene Entscheidungen zu treffen. Andernfalls konnte man sich plötzlich in grässlichen Schwierigkeiten wiederfinden … zum Beispiel geradewegs vor die Rohre der russischen Artillerie reiten.
Nachdem er Eleanor so warm wie möglich eingepackt hatte, kletterte er ein weiteres Mal auf den Stuhl und stellte fest, dass die beiden Männer gegangen waren. Er stieg wieder herunter und ging zur Tür. Vorsichtig öffnete er sie einen Spalt, bis der Wind hineinfegte, als wollte er ihn begrüßen, und dann weit genug, um hinauszutreten.
Er blickte sich nach allen Seiten um, sah jedoch niemanden. Nur niedrige dunkle Hütten, die jedoch nicht aus Holz zu bestehen schienen, sondern aus
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