Eisiges Blut
schlugen langsam im Salzwasser. »Okay, ich sehe sie«, sagte sie, immer noch unbeeindruckt. »Und was ist mit denen?«
»Diese Fische sind vielleicht Eleanor Ames’ Rettung.« Jetzt war Charlottes Interesse geweckt. »Ich habe das Blut der Fische mit Eleanors Blut gemischt, und ein paar der Exemplare im Becken haben in diesem Moment das gekreuzte Blut in den Adern.« Er grinste Charlotte an. »Und du siehst, es geht ihnen gut.«
»Aber Eleanor ist kein Fisch«, gab Charlotte zu bedenken.
»Das weiß ich. Aber was dem einen recht ist … «, sagte er und winkte Charlotte an den Labortisch heran, auf dem das Mikroskop stand. Der Objektträger war bereits eingespannt, und der Monitor zeigte ein stark vergrößertes Bild von Blutplättchen und Blutzellen, was Charlotte an ihr Studium erinnerte.
»Hier siehst du ein Tröpfchen konzentriertes, hämoglobinreiches Blutplasma«, sagte er und schnappte sich ein Paar Latexhandschuhe. »Mein eigenes, um genau zu sein.«
Charlotte konnte die roten Blutkörperchen erkennen. Sie waren blassrosa und hatten kleine Vertiefungen in der Mitte.
»Jetzt pass auf, was passiert.«
Darryl beugte sich über das Mikroskop und entfernte den Objektträger. Der Monitor wurde dunkel. Mit einer Spritze fügte er dem Blut einen winzigen Tropfen hinzu, streifte die Nadel vorsichtig ab und klemmte das Glas wieder unter die Halterung. »Normalerweise fixiere ich es natürlich ordentlich, aber so viel Zeit haben wir jetzt nicht.« Er stellte die Schärfe neu ein, und auf dem Monitor war wieder ein Bild zu sehen.
Im Unterschied zu vorher waren jetzt mehr Leukozyten zu sehen, jene weißen Blutkörperchen, die dafür verantwortlich sind, den Organismus gegen Krankheiten und Infektionen zu verteidigen. Außerdem war die Anzahl der Phagozyten erhöht, doch davon abgesehen, schien alles beim Alten geblieben zu sein. Die weißen Zellen, die größer und unregelmäßiger geformt waren als die roten, wanderten aktiv umher, wie es sich gehörte, um nach Bakterien und feindlichen Agenten Ausschau zu halten.
»Okay«, sagte Charlotte, »jetzt ist die Mischung ausgeglichener. Was hast du gerade hinzugetan?«
»Ein Tropfen von Eleanors erster Blutprobe. Pass auf, was passiert.«
Ein paar Sekunden lang geschah gar nichts. Doch dann brach die Hölle los. Die weißen Zellen, die keine Bakterien fanden, die sie hätten zerstören können, begannen stattdessen die roten, Sauerstoff transportierenden Blutkörperchen einzukreisen und anzugreifen. Sie verschlangen sie, bis keine mehr übrig waren. Es war ein einziges Schlachtfest. Charlotte wusste, dass mit diesem Blut kein Warmblüter lange überleben könnte.
Schockiert sah sie Darryl an, der nur sagte: »Ich weiß. Aber sieh dir das an.«
Wieder holte er den Objektträger hervor und nahm mit einer Spritze eine weitere Blutprobe aus einem der vielen Glasfläschchen
auf dem Tisch. Das Etikett lautete AFGP - 5 , wie Charlotte feststellte. Anschließend träufelte er einen Tropfen auf den Objektträger und schob diesen wieder ins Mikroskop.
Das Bild auf dem Monitor, das nur noch aus einer wild wogenden Masse aus weißen Zellen und Phagozyten bestanden hatte, die nach weiteren Opfern Ausschau hielten, beruhigte sich zusehends, wie ein See nach einem Sturm. Andere Zellen waren hinzugekommen, und diese Partikel bewegten sich wie Schiffe in dem jetzt wieder ruhigen Wasser.
Sie wurden nicht angegriffen.
»Das sind Glykoproteine«, sagte Darryl ohne Charlottes Frage abzuwarten, »von diversen Exemplaren der
Cryothenia
. Gefrierschutz-Glykoproteine, kurz AFGP . Es sind natürliche Proteine, die sich mit Eiskristallen im Blutkreislauf verbinden und sofort verhindern, dass diese weiterwachsen. Bei Fischen zirkulieren sie, wie der Sauerstoff auch, direkt im Plasma. Es ist ein ziemlich geschickter Trick der Evolution, und er kann vielleicht auch Eleanors Leben retten.«
»Wie das?«
»Wenn sie diese Proteine vertragen und regelmäßig zu sich nehmen würde, könnte sie ein relativ normales Leben führen. Und ihr Blutbild sieht aus, als vertrüge sie so ziemlich alles außer Strychnin.«
»Und wo kann sie leben?«, fragte Charlotte. »Am Meeresboden?«
»Nein«, erwiderte Darryl geduldig, »hier. Überall. Sie würde rote Blutkörperchen und Hämoglobin so wenig brauchen wie ein Fisch. Allerdings gäbe es auch ein paar Nachteile«, fügte er mit einem hilflosen Achselzucken hinzu. »Zum einen wäre sie quasi ein wechselwarmes Lebewesen und könnte sich nur durch
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