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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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bereits mehrere Male gesehen und kannte die Prozedur inzwischen auswendig.
    Charlotte nahm den Stuhl fort, den Michael kurz zuvor geräumt hatte, und stellte das Tablett auf das Bett. Eleanor rollte den weiten Ärmel ihres Kleides auf, und Charlotte legte ihr die Aderpresse aus Gummi an.
    »Michael hat Ihnen erklärt, wie gefährlich es für Sie sein wird, Eis zu berühren?«, vergewisserte Darryl sich, während Charlotte die Spritze, eine ungewöhnlich große diesmal, mit der Flüssigkeit aus dem Beutel füllte.
    »Mehrmals.«
    »Gut. Großartig«, sagte er nervös. »Am Anfang werden Sie möglicherweise durch die plötzliche Überdosis an Glykoproteinen Hitzewallungen bekommen, immerhin ist es eine hochkonzentrierte Lösung. Aber ich denke, das dürfte rasch wieder vorbei sein.«
    Charlotte warf ihm einen kurzen Blick zu und rieb eine Stelle auf Eleanors Unterarm mit Alkohol ein.
    »Ich bin auf alles gefasst«, sagte Eleanor. »Und ich habe absolutes Vertrauen zu meiner Ärztin.«
    Das entsprach der Wahrheit. Nach ihrem anfänglichen Schock hatte sie Dr.Barnes allmählich respektiert wegen ihrer forschen, aber freundlichen Art und ihres beruhigenden Umgangs mit ihrer Patientin. Eleanor fühlte sich an Florence Nightingale erinnert, die ebenfalls die Fähigkeit besessen hatte, jeden Patienten zu erreichen und ihm ein Gefühl der Ruhe und Sicherheit zu vermitteln. Natürlich hätte zu ihrer Zeit jemand wie Charlotte niemals Ärztin werden können. Wenn ihr Geschlecht ihr diesen Weg nicht versperrt hätte, dann hätte die Hautfarbe es mit Sicherheit getan. Doch in dieser modernen Welt, in der Eleanor vielleicht bald leben würde, waren offensichtlich viele unvorstellbare Dinge möglich.
    Den Einstich der Nadel nahm sie kaum wahr, doch die unmittelbare
Reaktion auf das Eindringen der Flüssigkeit in ihre Adern war überdeutlich. Weit davon entfernt, Hitzewallungen zu empfinden, überkam sie stattdessen ein Gefühl der Kälte, als würde ein kühler Gebirgsbach unter ihrer Haut entlanglaufen. Sie zitterte, und während sie die Spritze noch hielt, sah Charlotte sie an und fragte: »Geht es Ihnen gut?«
    »Ja«, erwiderte Eleanor. »Ich glaube schon.« Aber entsprach das der Wahrheit? Was würde geschehen, wenn die Kälte, die sie den Arm hinaufkriechen spürte, ihr Herz erreichte?
    »Was fühlen Sie?«, fragte Darryl. Michael kniete sich einfach wortlos vor das Bett und beobachtete ihr Gesicht.
    »So etwas habe ich nie zuvor empfunden«, antwortete Eleanor. »Ein wenig fühlt es sich an, als würde ich in ein kaltes Bad steigen.«
    Perlen von kaltem Schweiß bedeckten ihre Stirn, als Charlotte die Nadel herauszog und schnell die kleine Wunde abtupfte. »Vielleicht sollten Sie sich lieber hinlegen«, sagte sie, legte die Spritze auf das Tablett und half Eleanor, den Kopf auf das Kissen zu betten.
    Der Raum um sie herum verschwamm. Sie versuchte die Augen zu schließen, doch dabei überkam sie ein entsetzlicher Schwindel. Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie Michael, der sich über sie beugte, und konzentrierte ihren Blick auf sein Gesicht. Er hatte ihre Hand ergriffen, und sie spürte seinen Angstschweiß feucht an ihren Fingern.
    Charlotte und Darryl standen hinter ihm und machten ebenfalls besorgte Gesichter. Es rührte Eleanor, dass sie an diesem seltsamen und fremdartigen Ort bereits drei Freunde gefunden hatte. Es verstärkte sowohl ihre Hoffnung als auch den Anreiz, am Leben zu bleiben. Vielleicht war die Einsamkeit, die sie empfunden hatte, seit sie und Sinclair aus dem Lazarett in der Türkei fortgelaufen waren, doch nicht ihr ständiges Los. Vielleicht gab es eine Alternative. Die innere Kälte hatte sich über ihre Schultern und
die Brust ausgebreitet, wie die Blütenblätter einer Nachtblume, die unter ihrer Haut erblühte. Sie zitterte wieder, und Michael holte schnell eine Decke aus dem Schrank und hüllte sie darin ein. Unwillkürlich fühlte sie sich an die Reise mit der
Coventry
erinnert, jene unglückselige Fahrt, die sie letztendlich an den Südpol gebracht hatte, und an jene Nacht, in der Sinclair sie mit jeder Decke, jedem Mantel eingehüllte hatte, die er finden konnte, ehe er von der Mannschaft angegriffen wurde.
    Ehe auch sie von ihrer Pritsche gezerrt und auf dem schlingernden Deck in Ketten gelegt wurde.
    Eine warme Kompresse wurde ihr auf die Augen gelegt, und während sie so dalag, fragte sie sich, in welcher Situation sie sich wiederfinden würde, wenn sie dieses Experiment überstand.

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