Eisiges Blut
Point Adélie gemessenen Luftdruckwerte der letzten vierundzwanzig Stunden durchgab.
Draußen im Flur blieben Michael und Darryl stehen, um tief
Luft zu holen und über alles nachzudenken, was sie gerade besprochen hatten. Michael war so aufgeregt, dass er das Gefühl hatte, unter Strom zu stehen.
»Also, diese Transfusion«, sagte er. »Wie schnell kannst du es hinkriegen?«
»Ich brauche nur noch ein oder zwei Stunden im Labor. Dann ist das Serum fertig.«
»Aber wir sind von Eis umgeben«, sagte Michael, immer noch besorgt.
»Sie werden es niemals berühren. Sie wandern direkt von der Krankenstation und dem Fleischlager in den Leichensack. Was wäre die Alternative? Willst du die Prozedur etwa selbst durchführen? In Miami?«
Michael wusste, dass das niemals funktionieren würde.
»Wenn sie eine üble Reaktion zeigen«, fuhr Darryl fort, »ist es besser, wir wissen es, bevor wir sie in den Leichensack packen und ausfliegen.«
»Eleanor zuerst?«
»Sicher. Wie ich Sinclair einschätze, muss man ihn noch ein wenig überreden.«
Darryl wollte sich bereits abwenden, als Michael ihn am Ellenbogen festhielt, um ihn aufzuhalten. »Glaubst du, dass es funktionieren wird?«, wollte er wissen. »Glaubst du, dass Eleanor geheilt werden kann?«
Darryl zögerte, als wäge er seine Worte sorgfältig ab. Schließlich sagte er: »Ich denke, wenn alles gut geht, werden Eleanor und Sinclair in der Lage sein, ein halbwegs normales Leben zu führen.« Er hielt Michaels Blick stand und fügte hinzu: »Das gilt natürlich nur, wenn du das Leben einer Schlange, die sich nur in der Sonne wärmen kann, als normal betrachtest. Mit Hilfe einer gelegentlichen Wiederholungsimpfung wird Eleanor nicht länger das Verlangen verspüren, das sie jetzt hat. Aber sie wird diese ansteckende Krankheit bis zum Ende ihrer Tage in sich tragen.«
Die Worte legten sich wie Steine auf Michaels Brust.
»Aber Sinclair wird es genauso ergehen«, fügte Darryl hinzu, als würde es die Sache besser machen. »Sie stellen also keine Gefahr füreinander dar.«
Michael nickte stumm, als würde er ebenfalls den Vorteil daran erkennen. Aber die Steine auf seinem Herzen wurden dadurch nicht leichter.
52 . Kapitel 26 .Dezember, 11 : 20 Uhr
»Wir sind stets unter falschem Namen gereist«, sagte Sinclair, »und haben sie regelmäßig geändert. Es wurde zu einer Art Spiel, wie wir uns nennen würden, in San Remo oder Marseille oder wo immer wir als Nächstes Station machten.«
Lawson lauschte wie gebannt, und Sinclair hatte sich einige Mühe gegeben, ihm die dramatischsten Episoden ihrer Reise zu schildern. Wie sie mitten in der Nacht durch Bergschluchten gefahren waren, wie sie misstrauischen Behörden knapp entkommen waren oder ihre Reise mit den hohen Gewinnen beim Kartenspiel finanziert hatten. Die schrecklicheren Aspekte hatte er sorgsam ausgelassen, vor allem die ständige Suche nach frischem Blut. Es war nicht nötig, diesen Punkt zu erwähnen, und die Zeit wurde knapp. In ein paar Stunden würde die Wachablösung kommen, und der misstrauische Franklin würde wieder seinen Dienst antreten. Wenn Sinclair verschwinden wollte und seine Flucht möglichst spät bemerkt werden sollte, musste er jetzt handeln.
»Von Marseille aus sind wir Richtung Westen gefahren. In Sevilla wurde Eleanor krank, und ich dachte, die Seeluft würde ihr guttun. Also sind wir in eine kleine Stadt am Golf von Cadiz gefahren. Der Name ist mir entfallen, aber wenn ich ihn wieder hören würde … «
»Ayamonte vielleicht?«, fragte Lawson, über den Atlas gebeugt.
»Nein. Irgendein längerer Name. Er lag direkt an der Küste, Richtung Norden.«
»Isla Christina?«
»Nein«, sagte Sinclair und neigte den Kopf, als versuchte er angestrengt, sich zu erinnern. »Wenn ich die Karte vor mir sähe … «
Das Buch auf der richtigen Seite aufgeschlagen, stand Lawson von seiner Kiste auf und kam auf Sinclair zu, der sich bereitmachte.
Lawson legte Sinclair das Buch auf den Schoß. Ehe er wieder zurücktreten konnte, fragte Sinclair unschuldig: »Wo genau sind wir auf der Karte?«
»Hier«, sagte Lawson und deutet auf die gelbe Linie, die er auf der Seite eingezeichnet hatte. Während sein Blick auf das Buch gerichtet war, hob Sinclair die leere Bierflasche, die er versteckt hatte, und schlug ihn schnell auf den Hinterkopf.
Lawson ging in die Knie, aber wenn Sinclair gehofft hatte, er wäre bewusstlos, wurde er enttäuscht. Das verdammte Tuch musste den Hieb gedämpft haben. Er
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