Eisiges Blut
irgendwo begraben, oder?«, drängte Michael. »Oder hast du vor, eine Leiche mit einer Kugel im Kopf zurückzuschicken?« Murphy wand sich auf seinem Sessel, und Michael hatte ihn da, wo er ihn haben wollte. »Noch dazu mit einer Kugel aus deiner Pistole.«
Bei diesen Worten runzelte Darryl fragend die Stirn und fragte Murphy: »Wo wir gerade dabei sind … was hast du mit Ackerleys Leiche gemacht? Er hatte doch darum gebeten, eingeäschert zu werden, aber das dürfte ein Verstoß gegen den Antarktisvertrag sein.«
»Ganz recht, das wäre es«, sagte Murphy und starrte Darryl direkt in die Augen. »Offiziell ist Ackerley in eine Gletscherspalte gestürzt, während er Untersuchungen vor Ort vornahm.«
Michael war erleichtert, als er das hörte. »Ausgezeichnet.«
»Ich kann dir immer noch nicht folgen«, sagte Murphy.
»Verstehst du nicht? Wenn wir wollen, kann ich zwei Leichensäcke an Bord des Flugzeugs mitnehmen, die beide vollkommen begründet sind. Nur dass die Leichen darin nicht diejenigen sind, die auf den Papieren stehen.«
Endlich ging Murphy ein Licht auf. Michael musste nur noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten.
»Eleanor und Sinclair können Point Adélie vielleicht nicht als Passagiere mit dem Flugzeug verlassen, aber sie können als Fracht mitfliegen. Du musst dich nur um den entsprechenden Papierkram kümmern, damit sie – und ich – zurück nach Santiago und von dort nach Florida kommen.«
Im Raum herrschte tiefe Stille, die nur vom Ticken der Uhr unterbrochen wurde. Schließlich brach Murphy das Schweigen und sagte: »Aber allein der Flug von Santiago nach Miami dauert neun Stunden. Sie werden unterwegs sterben.«
»Warum sollten sie?«, sagte Michael. »Sie haben schon Schlimmeres durchgemacht. Ein Jahrhundert als Scheintote verbracht, zum Beispiel. Wenn sie das überlebt haben, ist diese Reise für sie wie ein Sonntagsausflug.«
»Jetzt ist es anders«, widersprach Murphy. »Sie sind gesund und munter, und sie haben ein großes Problem, das du zu verdrängen scheinst.«
»Genau dazu wollte ich etwas sagen«, warf Darryl ein, »als ich so unhöflich unterbrochen wurde.«
Michael sank auf seinem Stuhl zurück und war froh, dass j emand anders den Ball übernahm. Er begriff schnell, dass Darryl nicht nur mit dem Ball herumkickte, sondern direkt aufs Tor zuhielt. Nachdem er stolz von seinen Fortschritten bei der Untersuchung des
Cryothenia hirschii
berichtet hatte, deutete er an, dass er vielleicht ein Mittel gegen die Krankheit gefunden hatte, unter der Eleanor und Sinclair litten, zumindest soweit das überhaupt möglich war. Wenn Michael ihn richtig verstand, schlug er vor, dass er
die Gefrierschutz-Glykoproteine von seinen Fischen extrahierte und sie Eleanor und Sinclair injizierte. Dadurch würde ihr Blut in die Lage versetzt, Sauerstoff und Nährstoffe zu transportieren, ohne permanent durch fremdes Hämoglobin aufgefrischt werden zu müssen. Es klang absurd, verrückt, es schien sogar unmöglich, aber es war der erste und einzige dünne Faden, an den Michael seine Hoffnung hängen konnte. Und er ergriff ihn.
»In meinen Ohren hört sich das ziemlich lächerlich an«, sagte Murphy, »aber ich bin auch kein Wissenschaftler. Wie willst du wissen, ob es funktioniert?«
»Das weiß ich nicht«, gab Darryl zu. »Bis jetzt haben die Fische das neu kombinierte Blut toleriert. Doch ob das auch für Eleanor und Sinclair gilt, ist eine andere Frage.«
Und es war keine Zeit, um weitere Versuche durchzuführen.
»Aber ihr müsst bedenken«, wiederholte Darryl mit unheilvoller Stimme, »dass sie dann in derselben Zwickmühle stecken werden wie meine Fische. Sobald sie mit Eis in Berührung kommen, sind sie verloren.«
Die nächste halbe Stunde diskutierten sie darüber, wie der Plan im Einzelnen funktionieren könnte. Murphy gestand, dass er nicht jeden Tag das Logbuch der NSF geführt hatte, wie es eigentlich seine Pflicht gewesen wäre. »Ich wusste einfach nicht, wie ich erklären sollte, dass die Leichen wieder zum Leben erwacht sind.« Er machte sich große Sorgen, weil Michael seinem Redakteur bereits davon erzählt hatte, aber Michael versicherte ihm, dass er das Problem bereits gelöst hatte. » … auch wenn es bedeutet, dass ich für den Rest meiner Tage keinen anständigen Auftrag mehr bekomme.« Sie hörten erst auf, als sie telefonisch von der McMurdo Station über einen aufziehenden Sturm informiert wurden. Murphy scheuchte sie aus seinem Büro, während er die in
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