Eisiges Blut
mit Leder überzogene und
Pferdehaaren gepolsterte Untersuchungsliege, ein Wandschirm aus weißem Leinen sowie ein verschlossener Sekretär mit medizinischen Instrumenten und einem kleinen Vorrat an Arzneien.
»Ich bin übrigens Captain Rutherford«, stellte sich der große Mann vor, »und der andere Gentleman ist Lieutenant Le Maitre, besser bekannt als Frenchie. Wir alle gehören zu den 17 . Lancers.«
»Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, erwiderte Eleanor. Aufgrund der Uniformen und ihren Ausdrucksformen wusste sie, dass es sich um hochgeborene Männer mit Vermögen handeln musste. »Aber ich muss Sie noch einmal bitten, Ihre Stimme zu senken.«
Rutherford nickte, legte zur Bekräftigung einen Finger an die Lippen und zog sich auf einen der Sessel zurück. Er entzündete die Lampe auf dem Tisch, stellte den Docht ein, zog ein Päckchen Zigarren hervor und bot Le Maitre eine an. An der Stiefelsohle strich er ein Streichholz an, entzündete die beiden Stumpen und die beiden Männer lehnten sich zufrieden zurück.
»Machen Sie schon«, flüsterte Rutherford und wollte Eleanor mit einer Handbewegung in den Alkoven schicken. »Wir wollen nicht, dass er hier stirbt, die Russen wollen auch noch auf ihn schießen.«
Frenchie lachte laut auf und schlug dann eine Hand auf den Mund.
»Beachten Sie die beiden gar nicht«, sagte Sinclair leise. »Sie haben ihre Manieren in der Kaserne vergessen.« Er trat auf den Untersuchungstisch zu und begann die Jacke seiner Uniform auszuziehen. Doch das Blut hatte den Stoff mit der Haut verklebt, und als er den Stoff zu lösen versuchte, zuckte er zusammen. Bis zu diesem Moment hatte Eleanor noch keine Gelegenheit gehabt, zu überlegen, wie sie vorgehen sollte. Ihr fielen mindestens drei Regeln ein, die sie bereits gebrochen hatte. Doch beim Anblick des Leutnants, der sich bemühte, den Stoff von der Wunde zu
lösen, wusste sie mit einem Mal wieder, was sie zu tun hatte, und rief: »Halt! Lassen Sie mich das machen.« Hastig schloss sie den Sekretär auf und holte eine Stoffschere, mit der sie den Jackenärmel aufschnitt, bis sie den Stoff von der Wunde entfernen und die zerrissene Jacke vorsichtig ausziehen konnte.
Doch dann wusste sie nicht, wohin damit.
Der Leutnant lachte über ihre zeitweilige Verwirrung, nahm ihr die Jacke aus der Hand und warf sie auf den Garderobenständer hinter ihr, dessen Vorhandensein sie vollkommen vergessen hatte.
Das weiße Leinen seines weit geschneiderten Hemdes war ebenfalls zerrissen und blutig, aber sie dachte gar nicht daran, ihm das Hemd auszuziehen. Stattdessen nahm sie die Schere und schnitt den Ärmel von unterhalb der Schulter bis über das Handgelenk auf. Es war ein feiner Stoff, und sie bedauerte, ihn zerschneiden zu müssen. Doch was sie noch stärker beunruhigte war der feste Blick des Leutnants. Während sie versuchte, ihre ganze Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren, die Wunde freizulegen, spürte sie, dass er sie musterte, von den grünen Augen und bis zu den dunkelbraunen Haarlocken, die wieder einmal unter der weißen Haube hervorlugten. Sie wusste, dass sie erneut errötet war, und so sehr sie auch wünschte, sie könnte das Blut durch ihren Willen wieder aus den Wangen verdrängen, konnte sie nichts dagegen tun.
Sobald der Hemdärmel offen war, konnte sie erkennen, dass die Haut darunter zerfetzt war. Die Kugel schien jedoch keinen Knochen getroffen und auch die Muskeln nur oberflächlich gestreift zu haben. Sie konnte es nur schwer einschätzen, da sie hier im Hospital niemals solcherart Wunden sahen. Einmal war eine ältere Frau aus Versehen von einem Schürhaken durchbohrt worden, was zu einer ähnlichen Verletzung geführt hatte, doch der Wundarzt erlaubte es selten oder fast nie, dass eine Krankenschwester ihm assistierte.
»Was meinen Sie?«, fragte der Leutnant sie. »Werde ich es überleben und wieder kämpfen können?«
Eleanor war es nicht gewohnt, dass man auf diese scherzhafte Weise mit ihr sprach, schon gar nicht von einem Mann, der sich in ihrer unmittelbaren Nähe befand und dessen blutiger Arm unbedeckt war. Ein Arm, den sie selbst entblößt hatte.
Stattdessen wandte sie sich energisch dem Sekretär zu, holte einen sauberen Baumwollfetzen sowie eine Flasche Karbolsäure und begann, die Wunde abzutupfen. Das Blut war großflächig eingetrocknet und löste sich in großen Flocken, die sie in einer Emailleschüssel auf dem Sekretär auswusch. Nach und nach konnte sie die Wunde besser erkennen und
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