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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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ihre und sagte mit beruhigender Stimme: »Ganz ruhig!«
    Sie schluckte und nickte zweimal, dann fuhr sie fort, langsam und überlegt. Sie beugte sich tiefer, um die Haut zu studieren und
entschied sich, wie sie vorgehen würde. Sie würde am unteren Rand der Wunde beginnen, dort, wo die Haut am weitesten auseinanderklaffte, und die Wundränder zusammendrücken, die Nadel durchstechen und dann, als würde sie einen Saum nähen, sich immer weiter nach oben arbeiten. Sie würde, so schätzte sie, nicht mehr als acht oder zehn Stiche brauchen, aber sie wusste, dass es für den Leutnant ziemlich schmerzhaft werden würde. Sie würde so schnell arbeiten müssen, wie sie konnte.
    »Sind Sie bereit?«, fragte sie.
    Er hatte den gesunden Arm unter den Kopf gelegt und sah aus, als läge er im Juni am Flussufer. »Durchaus.«
    Sie setzte die Nadel an und zögerte mehrere Sekunden, ehe sie sich dazu überwinden konnte, zuzustechen. Sie spürte, wie seine Muskeln zuckten, sah, wie er den Arm anspannte, aber er sagte kein Wort. Sie wusste, dass er vor seinen Kameraden ungern etwas anderes als stoische Ruhe zeigen würde, oder, vermutete sie, vor ihr. Sie zog den Hautlappen vom anderen Wundrand näher und durchbohrte ihn ebenfalls mit der Nadel. Als hielte sie eine Prise Salz zwischen den Fingern, hielt sie die beiden Wundränder zusammen und durchstieß sie mit der Nadel in die andere Richtung. Sie hatte erlebt, dass Patienten bei schmerzhaften Behandlungen oft wegsahen, als konzentrierten sie sich auf ein idyllisches, weit entferntes Bild, aber sein Blick war, das wusste sie, auf sie gerichtet.
    Erneut stach sie mit der Nadel zu und noch einmal und noch einmal, und allmählich schloss sich die Wunde, bis es nicht mehr als eine runzelige Narbe von mehreren Zentimetern war, die auf seinem Arm verlief. Als sie fertig war, machte sie einen Knoten, doch anstatt den Faden abzubeißen, wie sie es normalerweise tat, benutzte sie die Stoffschere. Schließlich blickte sie ihm ins Gesicht. Seine Stirn glänzte vor Schweiß, und das Lächeln auf den Lippen flatterte, aber er war kein einziges Mal zurückgezuckt.
    »Das müsste halten«, sagte sie und drehte sich um, um den
übriggebliebenen Faden wegzuwerfen. Sie tupfte die Haut noch einmal mit Karbolsäure ab, dann nahm sie einen sauberen Verband aus dem Schrank und wickelte ihn fest um den Arm. »Sie können sich jetzt aufsetzen, wenn Sie wollen.«
    Er holte tief Luft und richtete sich dann auf, ohne sich auf den rechten Arm zu stützen. Als Nachwirkung der Behandlung, des Brandys oder von beidem schwankte er einen Moment von einer Seite zur anderen, und Rutherford und Frenchie drückten hastig ihre Zigarren aus und eilten herbei, um ihn zu stützen.
    Und so fand Miss Florence Nightingale sie.
    Wie ein Standbild der Rechtschaffenheit stand sie in ihrem langen Reifrock da, das schwarze Haar sorgfältig in der Mitte gescheitelt, die blassen Hände vor sich gefaltet. Ihre dunklen Augen huschten unter hochgezogenen Brauen von den Soldaten, die zweifelsohne unter Alkoholeinfluss standen, zur Nachtschwester. Deren Haube war verrutscht, und ihre Hände waren feucht vom Wasser und von der Karbolsäure. Miss Nightingales Blick wanderte zurück zu den drei Herren, und sie sah aus, als versuchte sie zu begreifen, was ein Elefant in ihrem Salon zu suchen hatte.
    »Schwester Ames«, sagte sie schließlich, »ich verlange eine Erklärung.«
    Ehe Eleanor auch nur ein Wort über ihre ausgedörrten Lippen bringen konnte, trat Rutherford mit ausgestreckter Hand auf die Hausherrin zu und stellte sich als Hauptmann des 17 . Lancer-Regiments vor. »Mein Freund hier«, sagte er und deutete auf Sinclair, »wurde verletzt, als er die Ehre einer Frau verteidigte.«
    Frenchie fügte hinzu: »Hier in der Nähe.«
    »Und wir brauchten sofortige Hilfe. Ihre Miss Ames hat uns diese Hilfe gewährt, und zwar auf eine vollkommen professionelle Weise.«
    »
Das
habe allein ich zu entscheiden«, sagte Miss Nightingale mit frostiger Stimme. »Wussten die Gentlemen denn nicht, dass diese Einrichtung sich allein der Pflege von Damen widmet?«
    Rutherford sah zu Frenchie und Sinclair hinüber, als sei er unsicher, was er darauf antworten sollte.
    »Wir wussten es«, sagte Sinclair und schaffte es, einen Fuß auf den Boden zu setzen. »Doch da mein Regiment morgen in Richtung Osten aufbricht, hatten wir keine Zeit, um nach Alternativen zu suchen.«
    Rutherford und Frenchie waren mit dieser Ausrede ganz und gar zufrieden.
    Selbst

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