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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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stellte fest, dass die Haut stark eingerissen war und genäht werden musste.
    »Ja«, sagte sie schließlich, »Sie werden es überleben, aber ich hoffe, nicht wieder kämpfen.« Sie nahm ein frisches Tuch zur Hand. »Sie werden einen Wundarzt aufsuchen müssen.«
    »Warum?« Er warf einen Blick auf seinen Arm. »Ich finde, es sieht gar nicht so schlecht aus.«
    »Die Wunde muss geschlossen werden, und dazu muss sie genäht werden. Je früher, desto besser.«
    Er lächelte, und obwohl sie wusste, dass er den Kopf neigte, um ihr in die Augen sehen zu können, hielt sie den Blick abgewandt.
    »Ist heute Nacht zu früh?«, fragte er.
    »Wie ich schon sagte, wir haben keinen Arzt im Haus.«
    »Ich dachte auch eher an Sie, Miss … «
    »Ames«, sagte sie. »Schwester Eleanor Ames.«
    »Können Sie das nicht machen, Schwester Eleanor Ames?«
    Eleanor war verblüfft. Noch nie zuvor war jemand auf so eine Idee gekommen. Eine Frau, auch wenn sie eine Krankenschwester war, sollte die Schussverletzung eines Soldaten behandeln, unter keiner anderen Aufsicht als ihrer eigenen? Sie spürte, wie ihr Gesicht so rot wurde wie seine Uniform.
    Lieutenant Copley lachte. »Es ist mein Arm, und ich glaube, dass Sie es schaffen. Warum also zögern Sie?«
    Sie blickte auf, in sein Gesicht, und sah ein breites, strahlendes Lächeln, zerzauste blonde Haare und einen zarten, dünnen Schnurrbart von der Sorte, die ein junger Mann sich wachsen ließ, der älter aussehen wollte, als er war.
    »Aber ich bin nur eine Krankenschwester, und noch nicht einmal mit der Ausbildung fertig.«
    »Haben Sie schon einmal ein Kleid genäht?«
    »Schon oft. Aber … «
    »Na also. So gut wie der Wundarzt des Regiments schaffen Sie das allemal, dessen Spezialität ist nämlich eher das Zähneziehen. Zumindest sind Sie, im Gegensatz zu unserem lieben Dr.Phillips, nicht betrunken.« Er berührte sie an der Hand und sagte mit verschwörerischer Stimme: »Das sind Sie doch nicht, oder?«
    Wider Willen musste sie lächeln. »Nein, ich bin vollkommen nüchtern.«
    »Also gut. Wir wollen doch bestimmt nicht, dass die Wunde anfängt zu eitern.« Er schüttelte den Ärmel vom Handgelenk und stopfte den Stoff unter der Schulter ins Hemd. »Nun, wann sagen Sie, geht es los?«
    Eleanor war hin- und hergerissen. Einerseits war sie gewiss, dass sie ihre Befugnisse überschritt, doch andererseits wuchs ihre Sehnsucht von einer Sekunde auf die andere, etwas zu tun, von dem sie in ihrem tiefsten Inneren überzeugt war, dass sie es konnte. Die Wundärzte lehnten die Assistenz einer Krankenschwester zwar gewohnheitsmäßig ab, aber sie hatte genug von ihrer Arbeit gesehen, die sie oft fluchend verrichteten, um zu wissen, dass sie es schaffen würde. Aber was würde Miss Nightingale sagen, wenn solch ein grober Verstoß gegen das medizinische Protokoll jemals ans Licht käme?
    Als könnte er ihre Gedanken lesen, sagte er: »Niemand wird jemals davon erfahren.«
    »Das Wort eines Lancers zählt so viel wie sein Schuldschein«, rief Rutherford von seinem Sessel aus, und Frenchie bedeutete ihm sofort, seine Stimme zu senken.
    Sinclair sah sie erwartungsvoll an, den Arm entblößt und ein halbes Lächeln auf den Lippen. Als Eleanor etwas Wasser in die Schüssel goss und begann, ihre Hände gründlich mit Seife zu schrubben, wurde sein Lächeln breiter. Er wusste, dass er gewonnen hatte.
    Rutherford erhob sich aus seinem Sessel, zog eine silberne Flasche unter seinem Umhang hervor und reichte sie Sinclair. Als Eleanor es sah, sagte sie: »Wir haben Chloroform und Äther.« Doch sie zögerte, eines der beiden anzuwenden. Das hatte sie noch nie gemacht, und sie fürchtete die Konsequenzen, falls sie es falsch dosierte.
    Doch Rutherford sagte: »Pah! Brandy reicht völlig. Genug davon, und ich habe schon Männer schlafen sehen, während man ihnen ein Bein abnahm.«
    Sinclair nahm die Flasche, prostete seinem Wohltäter damit zu und nahm einen kräftigen Schluck.
    »Noch einen«, sagte Rutherford, und Sinclair tat wie befohlen.
    »Na bitte, geht doch!«, sagte Rutherford, klopfte ihm auf die Schulter und wandte sich an Eleanor. »Der Patient wäre dann so weit.«
    Sie drehte das Licht in den Wandleuchtern höher und holte Katzendarm und Nadeln aus den Schubladen des Sekretärs. Anschließend bat sie Sinclair, sich mit dem Rücken auf die Liege zu legen, damit sie die Wunde besser sehen konnte. Mit zitternden Händen fädelte sie den Darm durch das Nadelöhr. Sinclair legte seine Hand auf

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