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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Gläsern in den Händen wieder aus der Menge auftauchte. Eines reichte er Eleanor, das andere Moira. »Wenn Sie gestatten, meine Damen, ich habe mir die Freiheit genommen, in Ihrem Namen eine Wette abzuschließen.« Er reichte Eleanor einen Streifen Papier mit mehreren aufgedruckten Zahlen auf der einen Seite und dem Namen »Nightingale’s Song« auf der anderen. Eleanor begriff nicht ganz.
    »
Das Lied der Nachtigall.
Der Name des Pferdes«, sagte er, als Moira sich vorbeugte, um die Schrift zu lesen, »scheint besonders glücklich gewählt, meinen Sie nicht?«
    »Wie hoch ist unser Einsatz?«, fragte Moira vergnügt, doch Eleanor wünschte, sie hätte geschwiegen. Sinclair antwortete: »Zehn Pfund auf Sieg.«
    Beide Frauen waren fassungslos bei der Vorstellung, zehn Pfund auf
irgendetwas
zu setzen. Ihr Lohn betrug fünfzehn Schilling die Woche und eine Mahlzeit am Tag aus der Krankenhausküche. Dass man einfach so bei einem Pferderennen innerhalb von Minuten zehn Pfund verlieren könnte, erschien ihnen geradezu unfassbar. Eleanor wusste, dass es für ihren Vater, einen armen Milchmann mit fünf Kindern, und seine seit langer Zeit kranke Frau mehr als das wäre. Es wäre eine Sünde.
    Moira fragte, jetzt mit leiserer Stimme: »Und was würden wir bekommen, wenn wir gewinnen?«
    »Nach der gegenwärtigen Quote dreißig Guineen.«
    Moira ließ beinahe ihre Limonade fallen.
    Ein korpulenter Herr in einem roten Cutaway spazierte die Startlinie entlang und erklomm sodann die mit rotem und goldenem
Samt geschmückte Schiedsrichterbühne. Der Union Jack wehte an einem hohen Flaggenmast hinter ihm. »Ladys und Gentlemen«, verkündete er mit laut schallender Stimme durch ein Megaphon, »wir haben die Ehre, Sie zum ersten Ascot Gold Cup Ihrer Majestät willkommen zu heißen!«
    Es gab Hurrarufe, Gejohle und klatschenden Beifall, was Moira und Eleanor für einen Moment verblüffte. Sinclair beugte sich zu ihnen hinüber und erklärte: »Traditionell nennt man dieses Rennen auch den Pokal der Imperators, nach Zar Nicholas von Russland. Doch angesichts der gegenwärtigen Lage auf der Krim«, fügte er hinzu, »wurde das Rennen dieses Jahr umbenannt.« Sie verstanden sofort.
    Der Lärm erstarb, das Horn ertönte erneut, eine Art Fanfare, an die obersten Balkone des Pavillons gerichtet. Die Pferde tänzelten ungeduldig hin und her, als könnten sie es kaum erwarten, ihre langen Beine zu strecken und endlich zu rennen. Die Jockeys standen hoch in ihren Steigbügeln, um bis zur letzten Sekunde die Rücken der Pferde nicht mit ihrem Gewicht zu belasten. Die Peitschen hatten sie unter die Arme geklemmt und die seidenen Ärmel ihrer Jacken blähten sich im Nachmittagswind. Der beleibte Herr im Cutaway zog eine Pistole aus seinem Kummerbund und hob sie in die Luft. Zwei Stallburschen lösten das Seil, das zwischen den Pfosten gespannt war, und warfen es aufgerollt ins Gras. Die Jockeys bemühten sich, ihre Rösser unter Kontrolle und hinter der Kreidelinie im Sand zu halten.
    »Reiter, bereit!«, rief der Schiedsrichter. »Eins, zwei … «, doch anstatt drei zu sagen, feuerte er die Waffe ab. Die Pferde stießen aneinander und drängelten um die beste Position, sie stolperten und sprangen auf die offene Bahn. Es gab ein kurzes Gerangel, als die Tiere und Jockeys um die besten Plätze wetteiferten, dann galoppierten alle los.
    »Welches ist unseres?«, schrie Moira und hüpfte am Geländer auf und ab. »Welches ist Nightingale’s Song?«
    Sinclair deutete auf eine Fuchsstute, die im Augenblick in der Mitte des Feldes lief. »Mit der roten Seide.«
    »Ach, sie gewinnt ja gar nicht«, rief Moira enttäuscht, und Sinclair lächelte.
    »Sie haben noch nicht einmal die erste Achtelmeile hinter sich«, belehrte Sinclair sie, »und insgesamt sind es acht. Sie hat noch genug Zeit zum Aufholen.«
    Eleanor nahm einen Schluck von ihrer Limonade und hoffte, dass sie gefasst wirkte, obwohl sie innerlich genauso aufgeregt war wie Moira. Sie hatte noch nie zuvor gewettet und sich nicht vorstellen können, wie sich das anfühlte. Auch wenn jemand anders für sie gesetzt hatte: es war merkwürdig, wunderbar aufregend. Bei der Vorstellung, dass dreißig Guineen auf dem Spiel standen – die sie, falls sie gewänne, selbstverständlich Sinclair zurückgeben würde – wurde ihr fast schwindelig.
    Und wieder spürte sie, dass Sinclair ihre Aufregung erahnte. In ihren Füßen fühlte sie das Vibrieren der donnernden Hufe, und von den Tribünen hörte sie

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