Eisiges Blut
sprach. »Amüsieren Sie sich gut?«
Sie errötete, weil er sie so leicht durchschaute. »Ja«, sagte sie, »sehr sogar«, und er sah aus, als sei er sehr mit sich zufrieden. Er
trug Zivil, einen grauen Cutaway und ein schneeweißes Hemd mit ordentlich gebundener schwarzer Seidenkrawatte. Über dem Kragen lockte sich sein blondes Haar. »Darf ich Ihnen einen Rumpunsch bringen? Oder lieber eine kalte Limonade?«
»Nein, nein«, sagte sie schnell und dachte dabei an die zusätzlichen Ausgaben. Er war bereits für die Kosten der Mietkutsche aufgekommen, die sie zur Rennbahn gebracht hatte, und für den Eintritt zum Park. Er hatte für drei Personen gezahlt, denn aus Gründen der Schicklichkeit wollte Eleanor nicht allein mit dem jungen Leutnant ausgehen, und er war so liebenswürdig gewesen, auch noch Miss Moira Mulcahy einzuladen, die Krankenschwester, mit der sie sich ein Zimmer in der Pension teilte. Moira, eine stämmige Irin mit offenem Lächeln und von geselliger, wenn auch gelegentlich derber Natur, hatte die Einladung ohne Zögern angenommen.
Die Einladung zu einer Erfrischung nahm sie ebenfalls bereitwillig an.
»Oh, Sir, ich hätte sehr gerne eine Limonade«, sagte Moira und konnte kaum den Blick von der Haupttribüne hinter ihm losreißen, wo sich eine Menschenmenge drängte und auf den Beginn des bedeutendsten Rennens, des Ascot Gold Cups, wartete. »Ohne Zweifel, die Sonne … «, sie hielt inne, als suchte sie nach der vornehmsten Ausdrucksweise, » … brennt ungemein.« Sie lächelte breit, glücklich mit ihrer Wahl, und Sinclair entschuldigte sich, um die Limonade zu holen. Sobald er fort war, stieß Moira Eleanor mit dem Ellbogen an und sagte: »Den hast du schon an der Angel!«
Eleanor gab vor, nicht zu verstehen, was sie meinte, aber wie bei den meisten von Moiras Sprüchen war das eigentlich klar.
»Ist dir nicht aufgefallen, wie er dich ansieht?«, fragte Moira spöttisch. »Oder dass er für nichts anderes Augen hat? Und was für ein Gentleman er ist! Bist du sicher, dass er kein Lord ist?«
Eleanor war sich überhaupt nur sehr weniger Dinge sicher.
In vielerlei Hinsicht war der Leutnant immer noch ein Mann voller Geheimnisse. Nachdem sie seinen Arm im Krankenhaus genäht hatte, war am nächsten Tag eine Schachtel mit Himbeermarzipan für sie abgegeben worden mit dem Vermerk »für Schwester Eleanor Ames, mein
süßer
Engel der Barmherzigkeit«. Miss Nightingale hatte das Päckchen an der Tür abgefangen und es ihr später mit einem deutlichen Ausdruck der Missbilligung ausgehändigt.
»Das«, hatte sie gesagt, »ist die Folge überstürzten Handelns«, und war im Garten verschwunden, in dem sie ihr eigenes frisches Obst und Gemüse zog. Eleanor hingegen fiel es schwer, ein Verbrechen darin zu erkennen, und Moira versuchte es nicht einmal. Sie hatte das lavendelfarbene Band von der Schachtel gezogen und es in ihre Tasche gesteckt. »Es ist viel zu hübsch, um es fortzuwerfen, und es macht dir doch nichts aus, nicht wahr, Ellie?« Dann hatte sie, auf den Fußballen wippend, darauf gewartet, dass Eleanor die Schachtel öffnete. Als sie es endlich tat, griff Moira prompt hinein, während Eleanor nur die glatte Schönheit und das süße fruchtige Aroma der Pralinen bestaunte. Der Deckel der Schachtel, den sie in der Hand hielt, als handele es sich um eine feine Zeichnung, war mit einer goldenen bourbonischen Lilie und den Worten
Confections Douce De Mme Dauphin, Belgravia
bedruckt. Noch nie zuvor hatte ihr jemand Naschereien geschickt.
Ein paar Tage später hatte Lieutenant Sinclair Copley ihr durch einen Boten einen Brief überbringen lassen, in dem er anfragte, wann er ihr seine Aufwartung machen dürfe. Darauf hatte sie ihm geantwortet, dass sie außer Sonnabendnachmittag und -abend keine freie Zeit habe; am Sonntag früh um halb sieben nähme sie ihren üblichen Dienst im Hospital wieder auf. Daraufhin hatte er sie um ihre Begleitung ersucht, und zwar für den nächsten Sonnabend zur Mittagszeit. Eine Absage würde er nicht dulden, hatte er hinzugefügt, und Moira, die ihr über die Schulter gesehen hatte, als sie die Nachricht las, sagte, sie sollte auf keinen Fall absagen.
Ein Horn ertönte, und Moira rief: »Sieh nur, Ellie, sieh!« Die Pferde wurden zusammengetrieben und zu ihren Plätzen hinter einem langen dicken Seil gebracht, das zwischen zwei Pfosten auf jeder Seite der ovalen Bahn gespannt war. »Fängt jetzt das letzte Rennen an?«
»Jawohl«, sagte Sinclair, der mit zwei
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