Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
Vom Netzwerk:
Stallburschen knüpfte sie locker an das Seil des Fahnenmastes. Dann wurden die Seidenhemden in die Höhe gezogen, unten ein gelbes, ein hellrotes in der Mitte und ganz oben, für alle deutlich zu erkennen, das scharlachrote von Nightingale’s Song. So töricht es auch sein mochte, Eleanor spürte einen Anflug von Stolz, während Moira in Erwartung des unverhofften Reichtums vollkommen aus dem Häuschen war.
    »Ich werde meinem Vater kein Wort davon sagen«, erklärte sie, »sonst kommt er in die Stadt und prügelt mich so lange, bis ich es ihm gebe.«
    Zumindest wusste Eleanor, dass ihr eigener Vater so etwas nicht tun würde.
    »Aber ich werde meiner Mum sagen, dass ich ein bisschen Glück hatte, und ihr etwas schicken, um ihr Los zu erleichtern. Gott weiß, das hat sie verdient.«
    Eleanor war immer noch entschlossen, ihren Gewinn Lieutenant Copley zu überlassen. Immerhin hatte sie nicht einmal einen Sixpence von dem kleinen Geldbetrag gesetzt, den sie in ihrem verblichenen Samtpompadour mitgenommen hatte. Als Sinclair zurückkam, stopfte er eine Handvoll Münzen und Scheine in Moiras netzartige Handtasche, dann wartete er darauf, dass Eleanor ihre Tasche öffnete. Sie weigerte sich.
    »Aber es gehört Ihnen«, sagte er. »Ihr Pferd ist als Sieger aus
dem Rennen gegangen, und die Quote stand außerordentlich günstig.«
    »Nein, es war Ihr Pferd«, erwiderte Eleanor, »und es ist Ihr Geld.« Sie merkte, dass Moira nicht vorhatte, so viel Größe zu zeigen, und es tat ihr leid, falls sich ihre Freundin ihretwegen unbehaglich fühlte.
    Sinclair hielt inne und sagte dann: »Würde es Sie beruhigen, wenn ich Ihnen versicherte, dass ich selbst auch eine erkleckliche Summe gewonnen habe?«
    Als Eleanor immer noch zögerte, griff Sinclair in die Tasche seiner Hose, zog ein Packen Pfundnoten hervor und wedelte spielerisch damit herum. »Sie beide«, sagte er und schloss Moira ritterlich mit ein, »sind meine Glücksbringer gewesen.«
    Eleanor musste lachen, ebenso Moira, und sie konnte nicht länger mit ihm streiten, als er ihre Tasche öffnete und ihren Gewinn hineinstopfte. Es war weit mehr Geld, als sie je auf einmal besessen hatte, und sie war froh, dass sie einen Leutnant an ihrer Seite hatte, um darauf aufzupassen.
    Als sie zurück zu den hohen Haupttoren schlenderten, zogen von Westen her dunkle Wolken auf, die die helle Sonne allmählich verdeckten. Sie hatten das Tor gerade passiert, als Eleanor jemanden rufen hörte: »Copley! Haben Sie heute gewonnen?«
    Als sie sich umdrehte, erkannte sie die beiden Männer, die Sinclair in jener Nacht zum Krankenhaus begleitet hatten, nur dass sie jetzt keine Uniformen trugen, sondern in eleganter ziviler Kleidung erschienen waren.
    »Tatsächlich, das habe ich«, erwiderte Sinclair.
    »In diesem Fall … «, sagte der Größere der beiden, Captain Rutherford, und hielt seinem Freund die geöffnete Hand entgegen, » … können Sie gewiss Ihre Schulden begleichen.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie das Geld nicht weiter investieren und es dort lassen wollen, wo es ist, um in Zukunft einen höheren Gewinn zu erzielen?«
    »Ein Spatz in der Hand … «, erwiderte Rutherford lächelnd, und pflichtbewusst drückte Sinclair ihm einige der Geldnoten aus seiner Tasche in die offene Hand.
    »Aber bitte verzeihen Sie mir«, fuhr Sinclair fort und trat einen Schritt zurück, um die Damen und Herren einander vorzustellen. Le Maitres Begleiterin, eine Miss Dolly Wilson, nickte zur Begrüßung. Ihr Gesicht war beinahe vollständig unter dem breitrandigen, mit burgunderroten und malvenfarbigen Blumen verzierten Hut verborgen. Schließlich fragte Sinclair: »Fahren Sie alle zurück in die Stadt? Ich wollte einen Wagen mieten, vielleicht haben die Herrschaften Lust, uns zu begleiten?«
    »Großartige Idee«, sagte Rutherford, »aber meine Kutsche wartet bereits im Regent’s Park Circle. Darin gibt es genug Platz für alle.«
    Eleanor warf Moira einen Blick zu. Die Freundin sah zugleich erregt und ängstlich aus. Dieser Tag brachte für sie beide so viele unerwartete Wendungen, dass sie sich fühlte, als ritte sie im wilden Galopp auf einem Pferd über die Felder.
    »Dann bitte hier entlang«, erklärte Rutherford und strich mit dem Finger über seinen Backenbart. »Verlorene Zeit … «
    » … kommt niemals wieder«, platzte Moira heraus, die stets darauf bedacht war, eine Redensart zu vervollständigen. Eleanor bemerkte den anerkennenden Blick, den Rutherford ihr zuwarf. Einen Blick, der

Weitere Kostenlose Bücher