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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Club.«
    Der Kutscher nickte, die Klappe wurde wieder geschlossen, und der Wagen rollte polternd über eine Holzbrücke.
    Eleanor, deren Schulter eng an die von Lieutenant Copley gedrückt wurde, lehnte sich im Polster zurück und fragte sich, wie dieser wunderbare Traum wohl enden würde.

14 . Kapitel 7 .Dezember, 8 : 00 Uhr
    Nachdem er sich am Morgen angezogen hatte, noch vor seinem Kaffee, sah Michael zuerst nach der kleinen Raubmöwe. Er hatte sie auf den Namen Olli getauft, nach einem anderen unglücklichen Waisenkind, Oliver Twist.
    Die Entscheidung, was er mit ihm (oder ihr, zu diesem Zeitpunkt war es nicht leicht, das Geschlecht festzustellen) anstellen sollte, war ihm nicht leichtgefallen. Ausgewachsene Raubmöwen waren hinterhältige Viecher und hatten die garstige Angewohnheit, immer auf den Schwächsten herumzuhacken. Einmal hatte er beobachtet, wie zwei von ihnen eine Pinguinmutter gerade lange genug von ihrer Brut abgelenkt hatten, damit eine dritte sich ein Küken schnappen und fortzerren konnte, um es kreischend in Stücke zu reißen. Mit Ollie würden sie womöglich dasselbe machen, solange er nicht etwas kräftiger und flügge geworden war.
    Er hatte sich mit mehreren Bewohnern der Station beraten, und gemeinsam mit Darryl, Charlotte und den beiden Glaziologinnen Betty und Tina war er zu dem Schluss gekommen, dass eine geschützte Umgebung im Freien das Beste für Ollie wäre.
    »Wenn du ihn hier drinnen aufziehst, wird er niemals allein für sich sorgen können«, sagte Betty, und Tina stimmte ihr nachdrücklich zu. Auf Michael wirkten die beiden mit ihren blonden Zöpfen, die sie auf ihrem Kopf zusammengerollt hatten, wie zwei Walküren.
    »Aber wenn du ihn in das Eiskernlager hinter unserem Labor legst«, hatte Tina vorgeschlagen, »hat er das Beste von beiden Welten.«
    Das Eiskernlager war eine grobe Einzäunung hinter dem Gebäude der Glaziologen. Hier lagen die Eiskerne, die noch nicht aufgeschnitten und analysiert worden waren, wie Holzscheite auf unterteilten Metallregalen aufgestapelt.
    »Ich habe gerade eine Kiste mit gefrorenem Plasma ausgeräumt«, sagte Charlotte. »Die leere Kiste bietet dem kleinen Kerl etwas Schutz.«
    Es klang, als würde eine Schulklasse im Biologieunterricht zusammen an einem Projekt arbeiten.
    Charlotte holte die flache Holzkiste, und sie stellten sie in eine Ecke der Einzäunung. Darryl verschwand in seinem Labor und kehrte kurz darauf mit ein paar getrockneten Heringsstreifen zurück, mit denen er seine eigene Menagerie fütterte. Doch obwohl er – oder sie – eindeutig Hunger hatte, nahm der kleine Vogel das Fressen nicht sofort an. Er schien darauf zu warten, dass der große Bruder plötzlich auftauchte und nach ihm hackte. Er war gewissermaßen bereits darauf konditioniert, zu sterben.
    »Ich glaube, wir stehen zu nahe bei ihm«, sagte Darryl, und Charlotte stimmte zu.
    »Lasst die Heringsstreifen doch einfach neben der Kiste liegen. Dann können wir wieder hineingehen«, sagte sie zitternd.
    Sie waren alle auf ihre Zimmer gegangen und in den unruhigen Schlaf gefallen, der Menschen befiel, wenn sie ihr Leben nicht durch Tag und Nacht strukturieren konnten. Am Morgen sah Michael sofort nach seinem Schützling.
    Die Heringsstreifen waren verschwunden, aber war Ollie derjenige, der sie gefressen hatte? Als er den gefrorenen Boden absuchte, auf dem Schneeflocken wie zarte weiße Federn herumwirbelten, konnte er auch Ollie nirgendwo entdecken. Er schob die dunkelgrüne Schutzbrille hoch, kniete sich auf den Boden
und suchte die Rückseite der Holzkiste ab. Charlotte hatte etwas von der Holzwolle dagelassen, mit denen die Kiste zum Schutz der Plasmabeutel gefüllt gewesen war, doch inzwischen waren auch Eis und Schnee in die Kiste geweht worden. Michael wollte gerade aufgeben, als er in der hintersten Ecke etwas Schwarzes sah, das wie ein nasser Kieselstein glänzte. Es waren die winzigen Augen des Vogels, und jetzt, als er genauer hinschaute, konnte er den grauweißen flauschigen Flaum seines Körpers erkennen. Zusammengekauert sah der Vogel aus wie ein schmutziger Schneeball.
    »Guten Morgen, Ollie.«
    Der Vogel starrte ihn an, schien weder Angst zu haben noch ihn irgendwie wiederzuerkennen.
    »Magst du Heringe?«
    Es überraschte Michael nicht, dass er keine Antwort erhielt. Trotzdem zog er zwei Streifen Schinken aus seiner Tasche, die er auf dem Weg hierher aus der Küche herausgeschmuggelt hatte. »Ich hoffe, du lebst nicht koscher«, sagte er und ließ

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