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Eisiges Feuer (German Edition)

Eisiges Feuer (German Edition)

Titel: Eisiges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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wehtat, ohne ihn wirklich zu verletzen. Ein Spiel, dem sein Körper sicherlich länger standhalten würde als sein Geist …
    „Ist es wert, für dieses Geheimnis zu leiden?“ Die Stimme des Sheruks klang nun spöttisch, was mehr schmerzte als die Fesseln, die Lys’ Handgelenke wund gerieben hatten, oder die Klinge, die sich für einen Herzschlag in seinen Nacken bohrte. Ganz leicht, gerade tief genug, dass nun warmes Blut über seine Wirbelsäule rann, ein feines Rinnsal nur. Dann wanderte der Dolch wieder unschuldig über seinen Rücken, langsam, auf und ab. Lys sammelte seinen Mut und begegnete dem Blick des Sheruks, des so seltsam faszinierenden Mannes, dem er vollkommen ausgeliefert war. Schön war er nicht zu nennen: die Nase war gekrümmt, der Bart so kurz, dass er das starke Kinn noch betonte, in den schwarzen, erbarmungslosen Augen brannte kaltes Feuer. Und doch, er strahlte lebendige Kraft aus, wie Lys es nicht einmal beim König selbst empfunden hatte, der doch der mächtigste Mann in diesem Reich war.
    „Für Euch ist es bedeutungslos, dieses Geheimnis, aber Ihr könntet es in die falschen Ohren flüstern. Es ist wert, dafür zu leiden, dass es geheim bleibt“, sagte er.
    „Ist es auch wert, dafür zu sterben?“ Kirians Blick war so zwingend, dass Lys sich nicht mehr abwenden konnte. Angst schnürte seine Kehle zu, er konnte nur nicken, obwohl er lieber laut gesprochen hätte. So mutig wie Roban, ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben.
    Der Dolch strich über Lys’ Nacken, plötzlich gab es einen Ruck – das Lederband war durchtrennt. Die Kette mit dem Anhänger fiel zu Boden, und Lys konnte sie nur entsetzt anstarren. Warum nur hatte er es nicht geschafft, sie fortzuwerfen, als der Angriff begann?
    Ihr Götter, lasst ihn denken, es sei Abfall!
    Der Narbige hob das Kleinod auf und reichte es an Kirian.
    „Elyne von Lichterfels, wenn ich mich nicht irre?“, fragte der überrascht. Lys sank in sich zusammen, er hatte nicht damit gerechnet, dass ein Räuber, der wie ein Schweinehirte im Wald hauste, die verschlungenen Initialen erkennen könnte.
    „Wie es scheint, wirst du heute nicht leiden müssen, mein Freund“, murmelte Kirian, spielte mit dem Anhänger, der so wertlos zu sein schien und doch soviel Bedeutung besaß. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten, mit einem Mal baute sich bedrohliche Spannung im Raum auf. „Lass mich raten: Der Fürst von Corlin, seit undenkbaren Zeiten zerstritten mit all seinen Nachbarn, hat es irgendwie geschafft, ein geheimes Abkommen mit dem Fürsten von Lichterfels zu schmieden. Eine Allianz, mit der dem König im Rat von nun an stets eine Stimme fehlen wird. Ein politisch hoch brisantes Bündnis, das die Machtverhältnisse in unserem schönen Land vollkommen neu ordnen würde. Um diese zerbrechliche Verbindung zwischen zwei verfeindeten Familien zu stärken, wurde Elyne von Lichterfels als Pfand auserkoren. Da dein Bruder bereits verheiratet ist, wirst du wohl der Glückliche sein, der diese Braut heimführt, hm?“ Lys senkte den Kopf noch tiefer, um dem schneidenden Spott zu entgehen. „Man hat dir also ihren Anhänger überbracht. Niemand darf davon erfahren, es soll eine Blitzhochzeit werden, denn sonst würden selbstverständlich alle Herrscher dagegen Einspruch erheben. Alle sollen glauben, du hättest unerlaubt mit dem Täubchen gegurrt. Darum reitet ihr zwei also ohne Eskorte, Geld oder Ausrüstung – falls einer der feindlichen Fürsten euch erwischt, könnt ihr einfach behaupten, Räuber hätten euch überfallen und von eurer Jagdgesellschaft getrennt. Sag, wie war es, auf nacktem Waldboden zu schlafen und von Beeren zu leben wie ein Bettler? Und ist es nicht eine wundersame Fügung, dass ihr euch nun tatsächlich in den Händen von Räubern befindet und gar nicht mehr zu lügen braucht?“
    Lys hätte sich noch weiter zusammengeduckt, aus Furcht vor dem, was in Kirians Stimme mitschwang, wenn der Narbige ihn nicht an den Haaren gepackt und festgehalten hätte.
    „Sie kamen von Süden, Kirian“, sagte er und zwang Lys dabei unbarmherzig, den Kopf zu heben. Der junge Mann fuhr zusammen, als er das Gesicht des Sheruks unmittelbar vor sich sah. Schwarze Augen brannten sich regelrecht in seine Seele hinein, schlanke, überraschend feingliedrige Finger berührten seine Wangen, strichen über seinen Hals hinab zur Kehle und schlossen sich. Nicht so fest, dass er nicht mehr atmen konnte, doch die Drohung war eindeutig. Nur, warum wurde er

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