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Eisiges Feuer (German Edition)

Eisiges Feuer (German Edition)

Titel: Eisiges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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dass nur er ihn hören konnte: „Ich töte euch nicht, weil ich das Leben zu sehr liebe. Das darf aber niemand wissen, also braucht es noch einen weiteren Grund. Einen, der all jene zufriedenstellt, die glauben, Macht ist das Einzige, was zählt. Hüte mein Geheimnis und lerne. Durch Grausamkeit und Rache gewinne ich weniger als durch Freundschaft mit deiner Familie. Durch treues Schweigen gewinnst du mehr, als wenn du mich verrätst. Eines Tages wirst du es sein, der über das Schicksal der dir Untergebenen richtet. Wenn alle von dir erwarten, dass du ein Todesurteil sprichst, was wirst du dann tun?“
    Mit großen Augen starrte der Junge ihn an, schluckte hart. Dann lief er zurück zu seiner Mutter.
     

Bevor sie Sorala verließen, verhielt Elyne plötzlich ihren Schritt und steuerte auf einen Diener zu, dessen geschwollene Nase in allen denkbaren Farben angelaufen war. Er wollte entsetzt vor ihr zurückweichen, doch zu viele standen hinter ihm. Sie zückte ein kostbar besticktes Tuch und legte es in seine zitternde Hand. „Nimm dies und vergiss nie wieder, dich rechtzeitig zu ducken“, beschied sie ihm mit hochmütigem Lächeln. Noch bevor er sich ehrerbietig verneigen und seinen Dank stammeln konnte, war sie davon stolziert.
    „Wir sollten ein Freudenfest feiern. Wir sind sie los“, murmelte er.
    „Wir werden feiern, sei gewiss“, erwiderte die gräfliche Mutter und tätschelte ihm beruhigend den Arm. „Wir werden feiern, dass wir noch leben.“
     
     

34.
     
     
    Elyne lag allein in ihrem Zelt und fand keine Ruhe. Die Soldaten von Corlin waren vorausgeschickt worden, um alle, die es wissen mussten, von den Geschehnissen zu unterrichten. Lediglich die Lichterfelser Eskorte war noch bei ihnen. Niemand hatte auch nur gefragt, es war für jeden selbstverständlich gewesen, dass Lys und Kirian ein Zelt miteinander teilten, während man ihr ein eigenes bereitstellte. So war es richtig, gewiss, sie wollte ihrem Mann keinen Schritt näher kommen als nötig … aber es schmerzte, dass sie in dieser Gruppe nicht einmal so tun konnte, als wäre sie eine geliebte Frau. Jemand, der all die Mühe wert war, die ihr Gemahl auf sich genommen hatte. All die Toten, die beklagt wurden.
    Ich bin es nicht wert …
    Einsamkeit drückte von allen Seiten auf sie nieder, bis sie schließlich ins Freie fliehen musste. Es war dunkel, alle außer den beiden Wachhabenden schliefen. Oder doch nicht? Elyne schlich sich näher an das Nachbarzelt heran und hockte sich in den Schatten nieder.
    „Du hast gelogen!“, hörte sie Lys flüstern.
    „Niemals.“ Stefár. Er lachte leise, seine Stimme klang undeutlich, als würde er mit vollem Mund sprechen. Ihr wurde heiß, als sie begriff, was das bedeuten könnte.
    „Oh doch“, seufzte Lys wohlig. „Du hast behauptet, du bist kein sanfter Mann. Wenn du noch sanfter wirst, schmelze ich …“
    „Pure Rücksicht. Ich dachte, du hättest auf dem Weg hierher genug Prügel bezogen.“
    Eine längere Pause folgte, in der Elyne nur noch mehr Seufzen und unterdrücktes Stöhnen vernahm. Sie kämpfte mit sich – einerseits wollte sie nicht hier sein und dem Liebesspiel der Männer lauschen, andererseits konnte sie keinen Muskel rühren. Wie gebannt blieb sie im feuchten Gras sitzen, stellte sich vor, es wäre sie, die Lys’ nackten Leib mit Küssen bedeckte und ihn dazu brachte, so sinnlich zu genießen. Ein merkwürdiges Bild!
    „Geht es mit deiner Schulter?“, wisperte Lys besorgt.
    „Alles bestens. Du bist meine beste Medizin“, keuchte ihr Bruder. „Ich liebe dich so sehr, Kirian … ich hätte dich niemals für Roban aufgeben können.“
    Elyne floh in ihr Zelt, presste das Gesicht in die Decke und weinte, so leise sie nur konnte. Neben ihr lagen die beiden einzigen Männer auf dieser Welt, dir ihr irgendetwas bedeuteten. Die so viel auf sich genommen hatten, um eine Frau zu befreien, die ihnen überhaupt nichts bedeutete.
    Niemand liebt mich, niemand!, dachte sie. Sie ekelte sich vor sich selbst, vor ihrem Selbstmitleid, ihrer Unfähigkeit, das Richtige zu tun. Es gab nichts, womit sie sich daraus befreien konnte. Halb blind tastete sie nach der kleinen versilberten Flasche, die ihr von der alten Gräfin geschenkt worden war. Seelentrost hatte Carmena das klare, scharfe Zeug genannt, Schnaps versetzt mit besonderen Kräutern; und ein Seelentrost war es auch. Zwei Schlücke reichten, und die Welt sah nicht mehr ganz so grausam aus. Sicherheitshalber nahm Elyne noch einen dritten.

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