Eisiges Feuer (German Edition)
sofort als das, was sie war: ein Zeichen von tiefer Verbundenheit und Liebe. Liebe, die ihr selbst versagt blieb.
„Mein Gemahl und mein totgeglaubter Bruder? Nun, das ist mal eine Überraschung!“, schnaubte Elyne verächtlich. Stefár schoss einen verächtlichen Blick zu ihr ab, der sie mitten ins Herz traf, wandte sich dann wieder seinem Geliebten zu.
„Wie schön, Euch wohlauf zu wissen. Und was meine Liebe zu Eurem Bruder angeht: Es steht Euch frei, Euch jederzeit einen eigenen Liebhaber zu suchen, sofern Ihr diskret seid, ich werde jedes Kind als mein eigenes anerkennen“, verkündete Lys steif, ohne sie anzusehen. „Das Einzige, was ich von Euch als meine Frau erwarte, ist Loyalität in der Öffentlichkeit. Ihr gebt mir politische Macht, ich gebe Euch und Euren Kindern Sicherheit, und alles, was Ihr sonst noch verlangt, sofern es mir möglich ist.“
Damit erhob er sich, stieg über die Leiche seines Bruders hinweg und verließ den Saal. Elyne starrte ihm mit weit aufgerissenen Augen nach, unfähig, sich zu rühren.
„Er liebt dich nicht, Elyne, aber er hat gerade seinen Bruder getötet, um dich, mich, euren gemeinsamen Sohn und eure Zukunft zu retten. Du brauchst ihm nicht auf Knien zu danken, aber ein kleines bisschen Freundlichkeit, und sei sie geheuchelt, wirst du doch wohl finden können?“, fragte Kirian müde.
Sie sah in das Gesicht ihres Bruders, der einst ihr Held gewesen war, ihr unverwundbarer Beschützer. Nie hatte sie die Erinnerung an den Tag loslassen können, an dem ihr strahlender Drachentöter, ihr über alles geliebter Bruder ausgepeitscht und fortgejagt worden war wie ein räudiger Köter. Seit diesem Tag hatte sie niemandem mehr vertraut, niemanden mehr lieben können, aus Angst, so etwas könnte noch einmal geschehen. Nicht einmal ihren eigenen Sohn wagte sie in ihr Herz zu lassen, obwohl sie wusste, was sie damit sich und dem Kind antat. Und Lys, der mit ihr und ihrer Verachtung leben musste. Wie sollte sie ihm sagen, dass sie eigentlich nur sich selbst verachtete? Ihr verlorener Bruder, er betrachtete sie vorwurfsvoll, so kalt, dass sie es nicht ertragen konnte.
„Warum hast du mich glauben lassen, du seiest tot?“, flüsterte sie schließlich.
„Um dich zu schützen, Elyne. Ich bin ein Mörder und Dieb geworden. Ich bin Kirian, der Sheruk, nicht mehr Stefár, Erbe von Lichterfels. Dieser Mann ist wahrhaftig gestorben und wird niemals mehr zurückkehren. Wenn du mein Geheimnis verrätst, werde ich dich töten.“
Sie zuckte schaudernd vor der Gelassenheit zurück, mit der er diese Tatsache aussprach, denn genau das war es: eine Tatsache, keine Drohung. Sie brauchte keinen Beweis für seine Worte, auch, wenn sie diese nicht begriff. Dieser Fremde dort mit den Augen ihres Bruders, er war wahrhaftig Kirian, wie die Legende ihn zeichnete.
Der Wind trug laute Rufe durch die Fensteröffnungen und erinnerte Elyne daran, dass Lys alleine einer Übermacht von Soldaten gegenüberstand. Doch Kirian blieb weiterhin gelassen an der Mauer gelehnt stehen. „Jetzt, wo Roban tot ist, werden die Männer von Corlin um Gnade betteln und viele Entschuldigungen finden, warum sie keine andere Wahl hatten, als solche Freveltaten zu begehen – natürlich, sie hatten ja auch keine andere Wahl, aber was interessiert das die hohen Fürsten? Lys wird sie mit Worten auf die Knie zwingen müssen, damit sie ihn auch weiterhin für einen hohen Fürsten halten, mit seinem Säbel rasseln, den Hauptmann zum Weinen bringen, ihn womöglich degradieren und dann Gnade walten lassen. Vielleicht muss er ein, zwei Rebellen hinrichten, was ihm fürchterlich aufs Gemüt schlagen wird, aber, kurz gefasst, die Gefahr ist vorbei.“
Er stieß sich ab und schritt ebenfalls zur Tür.
„Stefár!“ Elyne rannte ihm nach, klammerte sich an seinen unverletzten Arm. „Sag mir, dass du mich nicht hasst! Bitte, ich kann alles ertragen, aber hasse mich nicht. Du bist für mich immer noch Stefár und wirst es immer sein.“
Kirian strich ihr sanft über die Wange und schüttelte den Kopf.
„Du bist meine Schwester. Ich hasse dich nicht. Aber wenn du dem Mann, den ich liebe, weiterhin das Leben zum Schattenreich machst, könnte sich das ändern.“
„Du Bastard!“, zischte sie und schlug ihm mit beiden Fäusten gegen die Brust. „Glaub nicht, du könntest mich so leicht erpressen, nett zu Lys zu sein!“
Er grinste wölfisch und zwinkerte ihr zu. „Oh doch, Kleines, ich kann es, und du wirst es tun, nicht wahr?
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