Eisiges Feuer (German Edition)
Ein einzelnes freundliches Wort am Tag, vielleicht ein Morgengruß, ein Lächeln, wenn er fragt, wie es dir geht, das müsste zu schaffen sein für eine wahre Tochter von Lichterfels. Sei glücklich, du musst nicht mit ihm schlafen. Das übernehme ich dann für dich.“
Der Blick, den sie ihm zuwarf, hätte einen Eisberg schmelzen können, ließ aber nur sein Grinsen noch breiter werden. Es erreichte seine Augen nicht. Elyne wusste, diese Schlacht hatte sie verloren, aber zumindest nicht ihren Bruder. Nicht gänzlich.
Vielleicht schlafe ich ja doch mit ihm, nur um dich zu ärgern, Stefár!, dachte sie rebellisch. Wenn ich Lys anflehe, dass ich ein zweites Kind von ihm will, egal um welchen Preis, wird er es tun!
Doch sie wusste, der Preis wäre zu hoch. Für sie alle drei.
Kirian fand Lys im ernsten Gespräch mit Dorian und dem Hauptmann der Lichterfelser Eskorte. Die umherstehenden Soldaten wirkten entspannt, also hatte Lys bereits Gnade walten lassen. Einen Moment lang dachte er darüber nach, sich irgendwie aus der Burg zu schleichen, um sich den nachfolgenden Ärger zu ersparen, der durch Robans Tod entstanden war. Den Lichterfelsern wollte er zudem wirklich nicht begegnen! Doch er konnte und wollte seinen Liebsten nicht im Stich lassen, und seine Verletzungen schmerzten mehr, als er sich selbst eingestand. Also wartete er, bis Dorian fortging, zweifellos, um die Bewohner dieser Burg zu überwachen, und stellte sich dann zu Lys. Sie würden ihn erkennen. Tomar würde ihn erkennen.
Er tippte dem Hauptmann freundlich auf die Schulter und wartete auf das Unvermeidbare.
Tomar drehte sich um und stand plötzlich vor einem Mann, der ihn weit überragte. Er blickte hoch.
Nein, das ist unmöglich …
„Stefár?“, flüsterte er ungläubig. „Aber wie … warum? Gewiss, der Dolch, aber der wurde doch gestohlen, es muss so ein! Ihr Götter, vergebt mir, Herr, ich wollte das nicht tun!“
Kirian lächelte nur und packte Tomar am Arm, bevor der auf die Knie fallen konnte.
„Es schmerzt nicht mehr, Tomar. Ich habe dir nie nachgetragen, dass du meine Strafe übernommen hast, im Gegenteil. Ich weiß, du hast mir einige Qualen erspart.“
„Es hat mich zerstört, Herr. Dass ich Euch peitschen musste wie einen Verbrecher, obwohl ich doch wusste, Ihr müsst unschuldig sein. Ich habe mir das nie vergeben.“
Sein Blick irrte zwischen Kirian und Lys hin und her, dann zückte er den Dolch, dessen Griff ebenso Legende war wie der Mann, der ihn gewöhnlich trug.
„Ich fand ihn unter dem Busch, hatte gesehen, wie Ihr ihn dort versteckt habt. Warum habe ich das nicht begriffen? Ich selbst habe Euch den Dolch damals überbracht, Willomars Abschiedsgeschenk … Ich hätte sofort wissen müssen, dass Ihr noch lebt, als die Beschreibung bekannt gemacht wurde.“
Kirian schüttelte lächelnd den Kopf, auch wenn seine Schulterwunde gegen diese Bewegung protestierte. „Du dachtest, ich sei tot. Dazu wurde ich als Todfeind deines neuen Herrn gejagt. Wenn du mich jemals geliebt hast, dann jage mich weiter, und sage jedem, der fragt: Stefár von Lichterfels ist tot.“
Tränen schimmerten in Tomars Augen, als er gepresst erwiderte: „Ihr seid der Halbbruder meines eigenen Sohns. Ich würde Euch nicht eher verraten als ihn. Und das Gleiche gilt für jeden meiner Leute. Ihr kennt sie alle, sie waren Euch stets treu.“
Kirian beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr: „Und das ist der einzige Grund, warum ich sie nicht getötet habe, als ich in euer Lager einbrach, sondern lieber mit einem Schwerverletzten im Arm Ewigkeiten wartete, bis die Wachposten mal wegblickten. Es hätte beinahe Lys’ Leben gekostet. Sag Erek und Nikor, sie sollen nicht länger an ihren Fähigkeiten zweifeln.“
Verwirrt nickte Tomar, um gleichzeitig den Kopf zu schütteln. Er blickte noch einmal zwischen Kirian und Lys hin und her, gab dann auf, es verstehen zu wollen. „Ich werde es ihnen sagen. Sie werden Euer Geheimnis wahren, auch wenn es mich schmerzt, dass jetzt bereits so viele davon wissen.“
„Keine Sorge“, mischte sich Lys ein. „Sollte mal einer im volltrunkenen Zustand ausplaudern, Kirian sei niemand anders als ein geächteter Fürstensohn und gleichzeitig der Liebhaber des Mannes, der ihn mit allen Mitteln hetzt – wer würde das glauben?“
„Niemand, Herr, aber das Geflüster darüber würde niemals mehr verstummen.“
„Geflüster wird seine Legende nur weiter erblühen lassen, und je stärker sie erblüht,
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