Eiskalt Entflammt
nicht mehr oder weniger.
Das letzte Angebot, das die Ärzte ihm gemacht hatten, war eine Operation am Gehirn. Er hatte abgelehnt, schließlich konnten sie ihm keine Ver besserung garantieren. Danach hatte er selbst nach einer Lösung gesucht, er wusste nicht warum. Er hatte es einfach getan, ganz automatisch. Wie ein Raubtier jagt , um zu überleben, war er auf die Jagd nach Gefühlen gegangen. Instinktiv. Er hatte einen Haufen Bücher gelesen, er hatte es mit Hypnose probiert, Meditation, nichts hatte ihn fühlen lassen. Eine Zeit lang hatte er es mit Sex versucht. Er hatte gelernt , seinen Körper entsprechend zu manipulieren. Manche Frauen standen auf Soldaten und schienen sich nicht weiter an seinem Aussehen zu stören. Kurze einmalige Geschichten, die nichts brachten. Körperlich funktionierte er, aber er fühlte keine Stimulation oder Befriedigung. Es war einfacher , die Frauen dabei zu beobachten und den Stand der Erregung abzuschätzen. Mimik, Gestik, erkennen und abspeichern. Reines Kalkül. Aber ihm selbst gab es nichts. Ein Akt, geleitet von Instinkt oder Trieb, wie auch immer, vollkommen bedeutungslos. Irgendwann hatte er seine Suche beendet, ganz einfach weil die Kosten-Nutzen - Rechnung nicht aufging. Heute hatte ihn etwas in seinen Grundfesten erschüttert und Zweifel aufgeworfen . Denn das Team war das perfekte Beispiel dafür, dass es Ausnahmen und Besondere unter den Menschen gab. Und Ärzte wussten nicht alles. Trotzdem.
„Lass gut sein Emmet, ich weiß, vergiss es einfach.“
Er sah, wie Emmet ihm kurz die Schulter drückte, bevor er aufstand. Emmet machte sowas, er zeigte ihm seine Freundschaft und Aufrichtigkeit mit Gesten, die Scar nicht körperlich fühlen konnte, aber dennoch verstand.
Bevor er ging , sagte er noch: „Sie heißt Lou, nicht Neue . Gib ihr eine Chance.“
Scar nickte, dachte an ihre langen, dunklen Haare und diesen unfassbar verführerischen Mund.
Verdammt, das war dann wohl Lou.
*
Der Wagen glitt über den Asphalt. Eine wahre Wohltat, gegen die gestrige Fahrt auf der Rumpelpiste. Lou und Lukas hatten die Ladung wie besprochen abgegeben. Die Nacht in dem schäbigen kleinen Hotel in der brasilianischen Kleinstadt Rio Branco war kurz gewesen, aber sie hatten ihren Flug nach New York pünktlich erwischt und waren nun nachmittags auf dem Rückweg nach Queens in die heimische Lagerhalle.
Bei dem Gedanken, dass dort eine Orchidee auf sie wartete, musste Lou unwillkürlich schmunzeln.
„Ach du Scheiße, hab ich da etwa gerade ein Lächeln auf den Lippen der Eiskönigin gesehen?“
Verdammt. Lukas hatte seine Augen überall, nur nicht auf der Straße. Mit so viel Würde wie möglich reckte sie ihr Kinn in die Höhe und zog die Augenbrauen hoch. Kaum zu glauben, dass sie schon so weit war und sich auf diese Scherze einließ.
„Ich musste nur daran denken, was mich in eurer Halle erwartet.“
Lukas ’ Lächeln war ansteckend. „Was, außer einer heißen Dusche und was zu essen , erwartet dich denn noch?“
Herrlich, sie rekelte sich beim Gedanken an eine heiße Dusche. „Eine Pflanze. Jules hat sie mir geschenkt. Und ich hatte noch nie eine Pflanze.“
Sein Lächeln wich einem ernsten, nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Sie ist schon was Besonderes, unsere Jules.“
Sie parkten den Wagen auf dem Gelände und liefen durch das Haupttor Richtung Studio. Die anderen waren vor ihnen angekommen , und im Lager herrschte Anarchie. Emmet und Jules stritten laut stark .
Bevor Lukas sich einmischte, flüsterte er Lou ins Ohr. „Es ist immer dasselbe, Emmet steht auf Japanisch und Jules möchte gute alte amerikanische Burger.“ Grinsend lief er auf die beiden zu und mischte sich ein . „Leute, ihr habt sowieso keine Chance, heute ist Italienisch angesagt!“
Kurz nach dieser Bemerkung zischte etwas gefährlich nah an seinem Kopf vorbei, doch Lukas zuckte nicht zusammen. Er blieb stehen und zog eine Augenbraue nach oben. An seiner Stelle hätte sie sich zu Tode erschrocken. Aber Lukas zog den kleinen Dolch, der hinter ihm steckengeblieben war, aus der Wand und grinste Jules an.
„Wir müssen definitiv an deinem Temperament arbeiten.“
„Eher an meiner Treffsicherheit.“ In Jules ’ Augen flackerte ein freches Funkeln auf, dann widmete sie sich Lou. „Willkommen daheim! Was möchtest du essen?“
Daheim? Die herzliche Art und auch die Frage überforderten sie ein wenig . Kulinarische Auseinandersetzungen mit gefährlichen Wurfgeschossen waren
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