Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
so.«
Toni schloss die Augen und presste die Lippen zusammen. Ihre Hände ballten sich auf einem Stapel Papierkram zu Fäusten. »Und jetzt muss ich der Mutter des Jungen erklären, dass ihr Sohn womöglich von einem meiner Männer ermordet worden ist«, flüsterte sie heiser.
»Es ist nicht Ihre Schuld, Toni.« Lamberts Stimme war leise und eindringlich. »Sie haben es doch nicht gewusst.«
Toni schüttelte den Kopf. »Ich wusste von Anfang an, dass etwas nicht stimmte.« Sie zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich dachte, er wäre einfach nur ein Durchschnittsmann mit den üblichen Vorurteilen.« Sie presste die Finger auf die Lippen. »Wie habe ich das nur übersehen können?«
Lambert warf Steven einen hilflosen Blick zu und schüttelte den Kopf.
Steven nahm Tonis Hand und drückte sie fest. »Weil Sie nicht Gott sind. Ich bin auch nicht Gott. Lambert auch nicht, obwohl er jederzeit als Erzengel Gabriel durchgehen würde.«
»Hey«, wehrte sich Lambert und lächelte schwach.
Steven erwiderte das Lächeln, wurde wieder sachlich und drückte Tonis Hand. »Wir tun jeden Tag, was wir können, Toni. Das wissen Sie.« Er ließ ihre Hand los und erhob sich zu seiner vollen Größe. Die Müdigkeit fiel von ihm ab und machte wilder Entschlossenheit Platz. »Wir kriegen ihn«, versprach er. »Ihm wird ein Fehler unterlaufen. Und dann bringen wir ihn zur Strecke.«
Chicago
Freitag, 16. März, 12:00 Uhr
Dana verschränkte die Arme vor der Brust. »Du musst Max die Wahrheit sagen, Caroline, bevor die Sache mit ihm noch weitergeht.«
Caroline trat nach einem nassen Grasbüschel am Ufer des Ententeichs. Die Seligkeit, die sie am Vorabend in Max’ Armen gespürt hatte, war irgendwann zwischen seinem Gute-Nacht-Kuss vor ihrer Haustür und der schlaflosen Nacht verflogen. Sie hatte sich das Schlimmste vorgestellt, sich im Bett von einer Seite auf die andere gewälzt und die Sätze geprobt, die sie ihm sagen musste, damit er die Wahrheit erfuhr. Jedes Mal hatte sie sein Gesicht vor sich gesehen, das sich vor Zorn verschloss, vor Abscheu erblasste. Erschöpfung und Sorge ließen ihre Stimme barsch klingen.
»Erzähl mir lieber mal was Neues.«
»Entschuldige.« Dana drückte Carolines Arm. »Wie kann ich dir nur helfen?«
»Willst du für mich einspringen?«
»Caroline.« Dana schüttelte den Kopf. »Wenn er dich liebt und du ihn liebst, wird sich dadurch, dass du ihm die Wahrheit sagst, überhaupt nichts ändern. Nein, wirklich nicht«, bekräftigte sie, als Caroline ihr einen sarkastischen Blick zuwarf.
»Ich weiß.« Caroline bückte sich, streichelte die Blüte einer Narzisse und wünschte sich, selbst so mutig zu sein wie diese Blume, die den niedrigen Temperaturen trotzte. »Aber mir fehlen die richtigen Worte. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
»Caroline, hör auf, dich selbst zu bemitleiden, trag einen Termin für dich auf seinem Kalender ein und sag’s ihm.«
Die Ironie in Carolines Stimme zeigte Wirkung, und Caroline straffte sich. »Gut. Ich tu’s.«
»Wann?«
»Morgen.«
»Caro.« Es war dieser Hör-auf-mich-zu-verarschen-Tonfall, den Dana so gut beherrschte.
»Schon gut, schon gut. Ich werde heute wenigstens schon mal den Termin festlegen.«
»Braves Mädchen. Nachdem das nun geklärt ist, könntest du mir noch mal erzählen, wie das war mit seinem Traum von deinem Haar auf seinem Kissen. Ich habe den springenden Punkt nicht mitbekommen.«
Caroline boxte Dana spielerisch gegen die Schulter. »Pass bloß auf, Dupinsky.«
Dana setzte ihre Sonnenbrille auf. »Ich nehme meine Rolle als Beichtmutter und Briefkastentante so ernst, und trotzdem versagst du mir die Befriedigung meiner lüsternen Neugier. Undank ist der Welt Lohn.« Sie seufzte, und ihre Stimme klang plötzlich müde. »Ich muss zurück zum Haus. Tu’s noch heute, Caro.«
»Sobald ich wieder sein Büro betrete. Hey, Dana?«
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Ist alles in Ordnung mit dir? Dieser Seufzer eben hat mir gar nicht gefallen.«
Dana hob die Schultern. »Es wird schon werden. Gestern ist mal wieder eine Frau davongelaufen. Sie ist erst am Mittwoch bei uns eingetroffen, und jetzt ist sie schon wieder weg.«
Caroline schüttelte den Kopf. »Ich hasse es, wenn sie zu ihren Männern zurückgehen.« Sie sah von ihrer üblichen Schimpftirade ab, als sie Danas hängende Schultern sah. »Wie heißt sie, Schätzchen?«
Dana massierte sich den Nacken, als könnte sie dadurch die Erschöpfung vertreiben.
Weitere Kostenlose Bücher