Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
froh, in ein paar Stunden fürs Wochenende nach Hause fahren zu können. Sein zweitältester Sohn, Matt, gab am nächsten Tag ein Klavierkonzert, und Steven hatte versprochen, es nicht zu versäumen.
»Dann hat Jimmy Heakon auf Ashley Beardson gekotzt.«
Steven musste über das unüberhörbare Entzücken in der Stimme seines Jüngsten schmunzeln. »Tja, so etwas Aufregendes geschieht bestimmt nicht alle Tage auf dem Spielplatz. Ich schätze, Jimmy Heakon geht vorerst keine Wetten mehr ein, dass er lebende Regenwürmer essen kann.«
Nicky kicherte. »Das glaub ich auch nicht.« Eine Pause folgte, dann fuhr Nicky etwas nüchterner fort: »Daddy, wie lange muss Officer Jacobs mich noch zur Schule bringen?«
Wieder griff die Angst nach seinem Herzen, wie jedes Mal, wenn Steven daran dachte, dass Winters seinen Kleinen in die Finger bekommen könnte. Und der Gedanke überfiel ihn etwa zehn Mal pro Stunde. Aber Gary Jacobs war ein guter Mann, ein Polizist, dem er sein eigenes Leben anvertrauen würde. Und, was noch wichtiger war, auch das seines Kindes. Das war das Einzige, was ihn daran hinderte, zurück nach Raleigh zu flüchten und sich mit seinen Söhnen in einem provisorischen Bunker zu verschanzen. »Bis wir den Mann gefangen haben, der neulich mit dir gesprochen hat, mein Schatz. Wieso? Kannst du Officer Jacobs nicht leiden?«
»Doch, ich glaub schon.« Nickys Stimme klang ein wenig nachdenklich. »Ich möchte nur gern, dass du zu Hause bist, Daddy.«
Steven massierte seine Schläfen, als er spürte, wie sich sein allgegenwärtiger Kopfschmerz leicht verstärkte. Er beschirmte seine Augen mit der flachen Hand, um sie vor dem grellen Licht im Konferenzzimmer zu schützen. »Ich wäre auch gern zu Hause, Schätzchen. Wir sehen uns dann heute Abend.« Er spähte durch seine Finger und sah Toni an der Tür stehen und ihm bedeuten, er möge den Hörer auflegen. »Hey, Nicky, ich ruf dich später noch mal an, ja?«
»Gut, Daddy. Ich hab dich lieb.«
»Ich liebe dich auch, Nicky.« Er legte auf, und Toni trat ein, ein Blatt Papier in der Hand.
»Das war mein Jüngster«, erklärte Steven und wies auf das Telefon. »Was gibt’s?«
Sie kam mit einem Leuchten in den Augen näher und legte das Blatt Papier vor ihn auf den Tisch. »Ein Fax mit den neuesten Ergebnissen der Telefonüberprüfung. Winters hat eine Nummer in Charlotte angerufen, gleich nachdem er gestern mit Jolley gesprochen hat.«
Steven richtete sich auf seinem Stuhl auf und zog die Liste mit Winters’ Anrufen zu sich heran. »Der Hacker, den er Lamberts Meinung nach kontaktieren wollte?«, fragte er aufgeregt.
»Wollen wir’s hoffen.« Sie nahm sich einen Stuhl und rückte nahe genug an Steven heran, um auf die fragliche Telefonnummer deuten zu können. »Das Handy gehört einem gewissen Randall Livermore. Er ist Student an der UNC in Charlotte. Wohnt bei seinen Eltern.«
Steven verspürte ein aufgeregtes Prickeln im Magen, während er die restlichen Telefonnummern überflog. Er löste den Blick nicht von dem Papier. »Ich rufe die Dienststelle in Charlotte-Mecklenburg an und beantrage einen Durchsuchungsbefehl.« Jetzt blickte er auf und begegnete Tonis Lächeln. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich siegesgewiss. »Und dann fahre ich nach Charlotte. Das ist es, Toni, ich spür’s. Wir kriegen ihn.«
Chicago
Freitag, 16. März, 16:00 Uhr
C aroline sah zu, wie Tom Socken in seine Reisetasche stopfte. Sie stand an der Tür zu seinem Zimmer und spürte, wie sich ihre Magen verkrampfte. Die Sorgen um Evie und das bevorstehende Gespräch mit Max waren in diesem Moment zweitrangig. Ihr Sohn brach nun doch noch zu dem Campingausflug auf und würde fünf Tage lang fort sein. Tom hatte sich auf diesen Ausflug gefreut, seit er und seine Freunde in den Weihnachtsferien mit der Planung begonnen hatten. Der Vater eines der Jungen würde sie zu einem See in Wisconsin fahren, wo sie in Zelten schlafen, Fisch zum Frühstück verspeisen und dreimal pro Tag Hotdogs grillen würden, falls das Anglerglück ihnen nicht hold war. Einem Jungen in Toms Alter schadete es bestimmt nicht, wenn er eine Zeit lang dreimal am Tag Hotdogs aß, und über eine Wachstumshemmung brauchte Caroline sich in Toms Fall nun wirklich keine Sorgen zu machen.
Eine gewisse freudige Aufregung lag im Widerstreit mit ihren Ängsten. Ihr Sohn schloss Freundschaften, wagte sich allein ins Leben hinaus, ähnlich wie sie sich bei Max vorwagte. Schritt für Schritt. Langsam tauchten sie
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