Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Notarztwagen fand sie am aufregendsten.«
Er habe gar nicht erst gefragt, ob es Personenschäden gegeben habe, das konnte My nicht leisten, sie interessierten nur substantielle Details über die Fahrzeuge.
»Die beiden Typen setzten sich an den Nachbartisch. Sie waren betrunken.«
Das Ganze roch nach Ärger.
My kümmerte sich nicht um die neuen Sitznachbarn, sie war in ihrer eigenen Welt. In ihrem Erzähleifer traf sie einen der Typen mit dem Fuß.
»Er starrte sie an, aber sie hatte das gar nicht registriert. Da stand er auf, kam zu uns herüber und schrie sie an: ›Das machst du nicht noch mal, du Spacken!‹«
My stellte ihm eine typische My-Frage. Sie sah ihn überrascht an und fragte:
»Wer bist du?«
My hatte kein Gespür für Gefahr. Der Typ fragte sie, wer das wissen wolle, und auch darauf antwortete My ehrlich, wie sie es immer tat.
»Na, ich!«
Das Ganze spitzte sich zu, der Typ riss My an den Haaren, Thor knurrte und stellte die Nackenhaare auf. Der Kumpel versuchte, seinen Freund wegzuziehen. Das gelang ihm, aber auf dem Weg nach draußen stieß der wüste Drohungen aus.
»Ich ging davon aus, dass es nur hohle Worte waren, aber zwei Tage später standen die vor meinem Haus und haben meinen Hund erschossen.«
»Und was passierte dann?«
»Ich hatte ein Jagdgewehr. Das lag geladen im Wohnzimmer, weil ich am nächsten Tag mit Manfred auf die Jagd gehen wollte.«
Die Wahrheit lag auf seiner Zungenspitze, es wäre so leicht, ihr einfach alles zu erzählen. Aber das war keine Option für ihn. Er seufzte und wusste, dass er sie mit dem nächsten Satz verlieren könnte.
»Der Mann, den ich erschossen habe, hieß Hans Martin Krøll. Und er war leider der Bruder des Anführers der Rockerbande namens Grimme. Und Grimme saß wegen Doppelmordes, als ich nach Horsens kam. Darum wurde mein Aufenthalt dort kein Robinson-Club-Vergnügen.«
Er spürte ihren schnellen Herzschlag, das machte ihn auch ganz nervös. Würde sie jetzt aufstehen und für immer gehen? Würde sich diese Tür in ein neues Leben als für immer verschlossen erweisen?
»Es gibt ja welche, die sagen, dass nicht du geschossen hast«, sagte sie.
»Wer sind ›die‹? Mit wem hast du gesprochen?«
»Stimmt es denn?«
Vielleicht hatte sie mit Mark Bille darüber gesprochen. Oder sie hatte es sich selbst ausgedacht.
»Nein«, sagte er. »Es stimmt nicht.«
Sie drückte sich an ihn und murmelte schläfrig:
»Das habe ich mir gedacht, dass du so antwortest.«
Der Hund drehte sich auf seinem Lammfell. Die Luft war trocken und fast knisternd frostig.
»Wie ist My gestorben?«
»Das ist kompliziert.«
Sie hob ihr Gesicht und sah ihn an.
»Cato hat sie getötet.«
»Cato? Der im Gefängnis? Seid ihr deswegen keine Freunde mehr?«
Er seufzte. Es war ihm unmöglich, sein verdammtes Leben zu beschreiben und die Bande, die ihn daran bis in alle Ewigkeit fesseln würde. Er konnte es sich selbst ja nicht einmal erklären, wie sollte er es dann jemand anderem verständlich machen?
Er streichelte über ihr weiches Haar.
»Unter anderem«, sagte er.
Die Morgendämmerung brach in kalten, violetten Farben an. Es hatte aufgehört zu schneien und der frisch gefallene Schnee lag wie Perlmutt auf der Klippe. Das Meer war unendlich blau. Der Schlafsack war bedeckt mit einer dünnenSchicht Reif, aber im Inneren war es warm. Sie schliefen noch einmal miteinander.
»Ich habe oft darüber nachgedacht, wie sich das anfühlen würde«, sagte sie und streichelte mit geschlossenen Augen über sein Gesicht.
»Und, wie fühlt es sich an?«
»Es fühlte sich gut an.«
Das Klingeln seines Handys schreckte sie auf, es war Elisabeth.
»Weißt du noch, dass ich mir ein neues Tattoo machen lassen wollte?«, hörte er sie sagen.
»Bei Rollos Kennel, oder?«
»Genau, und ich habe ihn gefragt, ob er jemals eine stilisierte Lilie auf die Innenseite eines Mädchenschenkels tätowiert hat.«
»Und?«
»Das hat er. Letzten Herbst kamen drei Mädchen zu ihm und wollten sich drei identische Tattoos stechen lassen.«
»Auf die Innenseite ihres Oberschenkels?«
»Jep! An einer Stelle, die praktisch niemand sehen kann. Zumindest nicht viele. Ich finde, das solltest du wissen.«
K APITEL 55
Der Kater war tot. Jemand hatte ihm mit Gaffa-Tape die Schnauze zugebunden und ihm einen dicken Ast in den Enddarm gebohrt. Es muss ein schrecklicher Todeskampf gewesen sein.
Kir hatte ihn zufällig entdeckt, weil sie den Schweinestall umrundet hatte, um das neue Dach von
Weitere Kostenlose Bücher