Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
schlechteren Zustand als diese. Von den Fensterrahmen blätterte die Farbe ab und die Mauern waren mit altem Graffiti beschmiert. Die Eingänge der anderen Häuser waren von Schnee befreit, aber diese Arbeit hatte sich niemand bei Hausnummer 27 gemacht. Er wäre um ein Haar auf einer vereisten Steinplatte ausgerutscht, was seine Laune nicht gerade besserte.
Er stieß die Haustür auf und fragte sich, warum er Christan Røjel bisher noch keinen Besuch abgestattet hatte. Unwillig musste er zugeben, dass Kir der Grund dafür war. Der Ton in ihrer Stimme, wenn sie von ihrer Familie sprach, als würde ein verzweifelter Arzt die Heilung seines kranken Patienten herbeireden wollen. Sie waren Kirs Verbindung nach Grenå, eine Art unerfüllte und unglückliche Liebesbeziehung zwischen einer rebellischen Tochter und ihren traditionsverbundenen Eltern. Kir und er hatten mehr gemeinsam, als sie sich das wahrscheinlich vorstellen konnte.
Er ging die knarrende Treppe hoch, das Treppenhaus war schmal und dunkel, das Licht funktionierte nicht. Die Stufen waren aus dunklem Holz und Reste von Lack deuteten darauf hin, dass sie früher einmal sauber und glänzend gewesen waren. Jetzt waren sie dreckig und abgenutzt.
Weder der Wirt Asger Toft noch die anderen Mieter waren zu Hause. Nachdenklich stand er auf dem obersten Treppenabsatz und überlegte, was er tun sollte. Obwohl es sehr dunkel war, konnte er in der Decke eine Luke sehen. Aber sie war zu hoch oben, er kam nicht dran. Unten im Eingang hatte er einen Haufen Schrott liegen sehen, darunter alte Koffer, Eimer mit eingetrockneten Farbresten und Kisten mit Büchern. Die Koffer waren leer, er schleppte sie nach oben, stapelte sie übereinander und stellte sich darauf. Unter seinem Gewicht brachen die Koffer ein, aber er kam so gerade mit den Fingerspitzen an die Luke. Er drückte sie ein und schob sie beiseite, um dann den Rand der Luke abzutasten. Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte: eine schmale Leiter. Er zog sie zu sich herunter und sah, dass sie sich einhaken ließ, allerdings reichte sie nicht ganz bis auf den Boden. Er musste sich wie auf ein temperamentvolles Pferd hochschwingen, die Leiter schaukelte bedrohlich hin und her, aber er schaffte es, auf den Dachboden zu klettern. Er zog sein Handy aus der Tasche und nutzte es als Lampe. Das Licht genügte, um zu erkennen, dass der Dachboden als Behausung diente oder zumindest gedient hatte. Er entdeckte zwei Matratzen, auf denen zerknülltes Bettzeug lag, und in einer Ecke stand ein Eimer mit Deckel, von dem ein unzweideutiger Gestank ausströmte, als hätte jemand vergessen, die Toilettenspülung zu betätigen. Auf dem Boden lag Müll: Pizzakartons und Burgerpapier, Plastikbecher mit Strohhalmen, leere Zigarettenpackungen und ein paar Zeitschriften. Er nahm eine an sich, das waren keine dänischen, sondern irgendetwas Osteuropäisches. Aufrecht stehen konnte man nicht, Mark musste regelrecht auf allen vieren kriechen. Hier hatte jemand unter erbärmlichen Umständen gelebt: weder Toilette noch fließend Wasser, man konnte sich nur gebückt fortbewegen und es war eiskalt. Er sah zwarLeitungen, aber weder einen Heizlüfter noch irgendeine Lichtquelle.
Ekel stieg in ihm hoch, aber er setzte sich dennoch auf eine der Matratzen und tastete alles ab, ohne genau zu wissen, wonach er eigentlich suchte. Da geschahen zwei Dinge gleichzeitig: Er hörte Schritte im Treppenhaus und seine Hand stieß auf einen kleinen Gegenstand, der in einer Falte der Bettdecke versteckt gelegen hatte. Er schloss die Hand um den Gegenstand und überlegte für eine Sekunde, die Leiter hochzuziehen und die Luke zu schließen, als er eine bekannte Stimme hörte.
»Mark, bist du es?«
Er fühlte sich ertappt wie ein Junge beim Äpfelstehlen. Er brummte etwas Unverständliches als Antwort, aber da steckte Kir schon ihren Kopf durch die Luke.
»Du hast es also gefunden!«, stellte sie nüchtern fest.
»Das war nicht so schwer. Wer wohnt hier?«
Sie zog sich hoch und setzte sich an die Kante. Ihr schönes Lächeln war hinter einem besorgten Gesichtsausdruck verschwunden.
»Papas Polen, die Saisonarbeiter. Die helfen bei den groben Sachen.« Ihre Stimme triefte vor Sarkasmus.
»Und bei was zum Beispiel?«
»Ich glaube, die waren vor Weihnachten da und haben Isolierungsarbeiten gemacht. Im Herbst sind sie auch da gewesen.«
»Bewirtschaftet dein Vater auch Land?«
Sie nickte. »Zum Hof gehören einige Hektar Land, damit muss er ja irgendetwas
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