Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
von Tora sein kann. Er befand sich zu dem besagten Zeitpunkt hinter Gittern und tut das auch nach wie vor.«
Mark starrte auf die Fotos. Dann erschienen neue auf der Tafel. Dieser junge Mann sah dänisch aus, breit wie ein Schrank, mit Glatze und Stiernacken. Er trug einen langen, rotblonden, spitz zulaufenden Bart und eine kleine Gebetskappe auf dem Kopf.
»Das ist Ibrahim Frandsen, Däne, zum Islam konvertiert.Er ist seit der Schulzeit mit Swatch befreundet. Kein Bandenmitglied, aber immer mit dabei.«
Anna nickte Martin Nielsen zu, dem Mark zum ersten Mal am Strand unterhalb der Klippe begegnet war, wo sie Ramses gefunden hatten. In Marks Augen war er ein solider, eher traditioneller Ermittler.
»Ibrahim ist wie vom Erdboden verschluckt«, sagte Martin Nielsen. »Aber wir haben Familienmitglieder befragt, allesamt Dänen, die alle nicht zum Islam konvertiert sind. Die Schwester Paulina macht zurzeit eine Ausbildung in der Drogerie Matas im Einkaufszentrum Bruuns Galerie in Århus. Sie kannte Tora, ist ihr ein paarmal begegnet. Sie gibt an – und da wird es interessant –, dass Tora sich von Swatch trennen wollte. Sie hatte offenbar auch Paulina um Hilfe gebeten, aber darauf konnte Paulina nicht eingehen, weil sie sich damit gegen ihren Bruder auflehnen und dieser stinksauer werden würde. Tora traute sich nicht, zu ihren Eltern zu fahren, weil Swatch ihr gedroht habe, sie überall ausfindig zu machen und zu töten. Und er habe ihr gedroht, sich auch an ihrer Familie zu rächen.«
Martin Nielsen sah in die Runde.
»Die Frage ist also, ob Toras Tod mit ihrem Verhältnis zu Swatch zu tun hatte«, sagte er. »Die Freundinnen von Bandenmitgliedern leben gefährlich.«
Anna Bagger griff diesen Gedanken sofort auf. »Dann muss er doch jemanden beauftragt haben, das für ihn zu erledigen.« Ihr Blick fiel auf Mark. »Hätte Swatch Ibrahim dazu bringen können, den Job für ihn zu erledigen?«
»Ihn oder jemand anderen«, antwortete Mark. »Er hätte es in jedem Fall nicht unbedingt selbst machen müssen. Die Bandenmitglieder sind da nicht zimperlich, wenn eine der Bräute – entschuldigt den Ausdruck – nicht spurt.«
»Gelingt es eigentlich auch mal jemandem, da auszubrechen?«,fragte einer der Kollegen, an dessen Namen er sich nicht erinnern konnte.
»Das ist eine gute Frage. Wir hatten viele dieser Fälle in Kopenhagen, wo die Mädchen zu uns gekommen sind und um Hilfe gebeten haben.«
»Und haben sie die bekommen?«
Mark schüttelte den Kopf.
»Wir können nicht allen eine neue Identität beschaffen.« Er sah sich im Kreis seiner Kollegen um. »Es geht dabei ja nicht nur um Eifersucht und Machogehabe. Die Mädchen wissen oft Dinge, die nicht an die Öffentlichkeit sollen, weder die Polizei noch der Feind darf davon erfahren.«
Anna Bagger nickte. »Das werden wir uns genauer ansehen.«
Mark sagte nichts dazu, fragte sich aber ernsthaft, wie sie das anstellen wollte. Die Rocker ließen sich nicht einfach so in die Karten schauen. Und die Einwanderer-Banden glichen Fort Knox. Sie würde niemanden von denen dazu bringen, auch nur einen Piep zu sagen.
»Paulina zufolge hatte Tora ein anderes Mädchen kennengelernt, die in derselben Situation war wie sie«, sagte Martin Nielsen. »Sie hat wohl Paulina gegenüber angedeutet, dass die beiden sich helfen wollten, aus der Bande auszusteigen.«
Anna Bagger schoss sofort dazwischen. »Wissen wir, wer dieses andere Mädchen ist?«
»Nein, gar nichts. Aber man darf durchaus annehmen, dass sie eine der drei Mädchen war, die sich hier in Grenå aufgehalten haben. Ich habe gehört, dass ihr sie auf einer Überwachungskamera entdeckt habt?«
Er sah hinüber zu Mark und reichte damit den Redestab weiter. Und Mark zeigte seinen Beitrag zu diesem Meeting: die Bilder aus der Überwachungskamera. Die drei Mädchen waren deutlich auf den Aufnahmen zu erkennen.
»Die müssen wir unbedingt identifizieren«, sagte Anna Bagger. »Wir haben die Fotos schon an die Presse weitergeleitet. Martin, ich schlage vor, dass du die Fotos mitnimmst und sie den Leuten in Toras Fitnesscenter und Ibrahims Schwester zeigst und wer sonst noch mit Tora Kontakt hatte.«
Nach der Besprechung benötigte er dringend eine Ablenkung und fuhr zu dem Haus in der Fredensgade. Es war spät am Nachmittag und die abendliche Dunkelheit hatte sich über die Stadt gelegt. Das Gebäude mit den vier Wohneinheiten stand eingeklemmt zwischen zwei größeren und breiteren Häusern und war in einem weitaus
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