Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Flaschen mit nur 200 Bar. Sie nutzte einen günstigen Augenblick, um den Gummihandschuh auf den Boden fallen zu lassen. Dann zog sie sich um, erst den Innenanzug, darüber den Trockenanzug. Als sie sich routinemäßig das Tauchermesser ans Bein schnallen wollte, griff Blackie danach.
»Das brauchst du nicht.«
Er nahm es an sich. Sie trug die Ausrüstung ins Auto, während ihre Gedanken auf Hochtouren arbeiteten. Wahrscheinlich hatte er Onkel Hannibals Motorboot klargemacht. Das hatte er damals sofort an sich gerafft, als es an den Strand getrieben worden war. Niemand würde sie rausfahren sehen, das Boot lag garantiert an einer abgelegenen Stelle. Und selbst wenn sie jemand dabei beobachten sollte, würde dieser nur annehmen, dass Blackie Røjel mit seiner Schwester einen Ausflug macht. Ein total wahnsinniges Unternehmen zwar, aber so war dieses Tauchermädchen nun einmal. Vollkommen durchgedreht. Immer begab sie sich in Gefahr, um auf sich aufmerksam zu machen. Immer musste sie ihren Eltern Sorgen bereiten.
Blackie gab ihr die Autoschlüssel und schubste sie unsanft ins Auto.
»Du fährst!«
Sie startete den Wagen und machte einen Kickstart, bei dem sie um ein Haar in der Hecke gelandet wäre. Sie hoffte, dass sie auf diese Weise tiefe Reifenspuren hinterlassen würde. Blackie saß auf dem Beifahrersitz und richtete die Pistole auf sie. Sie spürte den Druck der Mündung durch den Anzug.
»Wir fahren runter zum Hafen. Und versuch bloß keine Tricks.«
Sie fuhren die Küstenstraße hinunter. Es war nicht weit und weder für Gedanken noch für ein erzwungenes Gespräch war genügend Zeit. Der Hafen war menschenleer, die Taucher waren schon längst abgezogen. Niemand, der bei Sinnen war, würde bei diesem Wetter in See stechen, mit Ausnahme der Fähre nach Varberg.
»Fahr da lang.«
Er lotste sie an der norwegischen Schrottfirma vorbei, wo verrostete Schiffe darauf warteten, ausgeschlachtet und zu Geld gemacht zu werden.
»Hier nach rechts. Du kannst da vorne anhalten.«
Wie sie erwartet hatte, lag das Boot abseits. Niemand würde sie beobachten können, außer man würde zufällig an diesem Teil der Mole vorbeikommen. Auch von den Gebäuden von Thorfisk und der großen Speditionsfirma, dem Fähranleger oder dem Schrottplatz aus waren sie nicht zu sehen. Und auch die Kutter, Jollen und Yachten, die sonst weiter vorne anlegten, waren schon längst im Winterlager.
Blackie sprang aus dem Wagen und nahm die Kiste.
»Hier ist es.«
Unter ihnen schaukelte Onkel Hannibals Motorboot im Wasser. Es war eine Art Kutter, mit Innenbordmotor, einem kleinen Ruderhaus und mit einer maximalen Fahrleistung von 15 Knoten. Mit diesem Boot waren so viele schöne Erinnerungen verbunden, die heutige würde nicht dazugehören.
»Los, runter mit dir.«
Sie kletterte ins Boot, er reichte ihr die Kiste. Sie hatte bisher keine Gelegenheit gehabt, ihn auszuschalten. Noch nicht. Er kletterte die Leiter hinunter, die Pistole unablässig auf sie gerichtet. Seine andere Hand verschwand in der Jackentasche und fischte den Zündschlüssel heraus. Dann reichte er ihr den Schlüssel zusammen mit einem Zettel: 56°15 ΄ 62 ΄ N 11°34 ΄ 22 ΄ O
»Das findest du leicht, stimmt’s?«
Sie überprüfte die Apparaturen im Ruderhaus, es gab ein GPS. Blackie wies sie an, die Fender einzuholen. Dann nickte er als Zeichen, dass sie den Motor starten sollte. Mit einem gedämpften Brummen sprang er an und Blackie löste die Vertäuung. Sie gab die Koordinaten in das GPS ein und manövrierte den Kutter aus der Hafeneinfahrt auf die offene See.
K APITEL 75
»Maria?«, flüsterte Felix in die Dunkelheit.
Sie erhielt keine Antwort. Pflanzen umschlangen sie mit ihren grünen Fangarmen und streichelten sie, aber sie hatten keine Stimmen. Es war wunderschön auf dem Meeresboden. Das Seegras wiegte sich in der Strömung und das Sonnenlicht zeichnete aufregende Muster auf ihre Blätter. Es war warm und friedlich. In weiter Ferne, wo das Wasser nicht mehr über diese Klarheit verfügte, hörte sie Maria ein spanisches Lied singen. Felix breitete die Arme aus, gleich würde ihr Maria entgegengelaufen kommen.
»…ser.«
Eine Stimme. Das Meer verschwand augenblicklich und nahm Maria mit sich. Felix blinzelte, sie war ohnmächtig gewesen. Doch jetzt war sie zurück in ihrem Gefängnis, sie lagnicht auf dem Meeresgrund, sondern in einer eiskalten Scheune. Und zwar allein, aber sie war sich sicher, dass sie eine Stimme gehört hatte. Es klang, als würden
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