Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Sonderanfertigung, die Reißverschlüsse, Apparaturen und sogar die Gewichte, mit denen sie sich beschweren konnten. So eine Ausrüstung hatte einen Wert von bis zu 300 000 Kronen. Einen Taucher konnte man unter Wasser an den Luftblasen erkennen, einen Minentaucher praktisch nicht. Die Sauerstoffflasche bereitete die Atemluft sechs bis sieben Mal auf und darum entwichen nur ganz kleine Luftbläschen. Der vorrangige Grund dafür war nicht etwa, dass sie unter Wasser quasi unsichtbar sein sollten, sondern dass sie keine Geräusche verursachten, die wiederum einen Sprengsatz zünden konnten. Daher war auch das Schlauchboot, das sie transportierte, geräuscharm und nicht magnetisch.
Das alles und noch viel mehr hatten den Kindheitstraum in ihr am Leben erhalten. Sie hatte alle Comicserien gelesen, die sie von Blackie geerbt hatte: Superman, Batman, Spiderman. Sie hatte sie geliebt, aber immer gedacht, dass ein Unterwasserheld in dieser Reihe fehlte. Darum hatte sie davon geträumt, diese lautlose Beschützerin zu sein, die einem Delphin gleich durch das dunkle Wasser glitt, absolut lautlos, ruhig und sicher. Als Minentaucherin war sie so nah wie nur möglich an diesen Traum gekommen, den sie sich in ihrer Phantasie ausgemalt hatte.
Niklas grinste von einem Ohr zum anderen, als sie den Mut gefasst und ihm davon erzählt hatte.
»Super Kir!«
»Kein Wort zu niemandem!«
Sie spielten eine Runde Billard. Kir war haushoch überlegen, brachte es aber am Ende nicht übers Herz und ließ ihn gewinnen. Langsam füllte sich die Kneipe und war das, was sie sein sollte: ein Ort, an dem man in der Menge untertauchen kann, trinkt, was man will, und genauso unauffällig wieder verschwindet.
Niklas war schon zurück ins Hotel gefahren, während sie am Tresen stand und sich mit ihrem Bruder unterhielt. Da sah sie, wie Mark Bille Hansen die Kneipe betrat. Ihr erster Gedanke war, dass er wahrscheinlich Blackie wegen des Falls befragen wollte, aber als er sich an den Tresen setzte, begriff sie, dass auch ein Polizist mal Lust auf ein Bier haben konnte. Blackie machte ihm ein großes Pils und sie wechselten ein paar Worte, bevor er sich dem nächsten Gast zuwandte. Sie starrte ihn an. Mark Bille war wie ein exotisches Tier in dieser provinziellen Langeweile. Seine Bewegungen faszinierten sie, die Art, wie er sein Bier trank und am Tresen saß, ohne die Spur von Unsicherheit. Er war irgendwie anders als die anderen und das fühlte sich so vertraut an. Sie kannte das.
Er sah hoch und ihre Blicke begegneten sich. Es war zu spät, wegzugucken, also starrte sie ihn einfach weiter an. Er nickte ihr zu und hob zum Gruß sein Bierglas, sie erwiderte den Gruß und nahm einen Schluck Cola. Einen Augenblick sahen sie sich unverwandt an, dann erhob er sich und kam auf sie zu.
»Bist du allein unterwegs?«
»Das ist die Kneipe meines Bruders.«
Sie nickte zu Blackie, der sich an der Zapfanlage zu schaffen machte.
»Ich war mit einem Kollegen was trinken, aber der ist schon zurück ins Hotel gefahren«, erklärte sie und fügte schnell hinzu: »Morgen geht es ja weiter.«
Er nickte.
»Ihr habt heute nichts gefunden, oder?«
»Nix.«
»Du hattest recht«, sagte er. »Da stimmte etwas nicht an der Toten.«
Sie errötete. Zeit ihres Lebens wurde sie schnell rot und hatte das immer gehasst.
»Aber das macht die Sache ja auch nicht einfacher«, entgegnete sie. »Dann haben wir es jetzt mit zwei Toten zu tun.«
Erneutes Nicken. Er sah sie mit einer ungezügelten Begierde an, die sie ganz kribbelig machte, sie spürte seine Körpernähe bis in die Fingerspitzen.
»Vielleicht haben sie sich ja ähnlich gesehen«, sagte sie, vor allem, um das Gespräch aufrechtzuerhalten, damit er nicht wieder aufstand und ging. »Oder ist das nur ein Zufall?«
Er zuckte mit den Schultern. Gleichzeitig physisch präsent und abwesend, als würde etwas in ihm an die Oberfläche drängen, aber keinen Ausweg finden.
»Junge, blonde Frauen. Größe und Körperbau sind nahezu identisch. Das kann natürlich trotzdem ein Zufall sein.«
»Wie lange hat sie denn dort unten gelegen?«, fragte Kir.
»Die Rechtsmediziner reden von ein paar Tagen.«
»Dann kommt die Neujahrsnacht als Tatnacht ja infrage?«
Er bejahte. Sie sahen sich an und ihnen wurde klar, dass sie dasselbe dachten.
»Nina könnte in der Tatnacht am Hafen vorbeigekommen sein und wurde Zeugin, wie die andere Frau ins Wassergeworfen wurde«, sagte Kir. »Und darum musste der Täter sie beseitigen und
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