Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
stemmte die Stange mit letzter Kraft hoch. »Aber ich werde dich fertig machen beim Billard.«
Sie klatschte mit ihrem Handtuch auf seinen Oberschenkel.
»Okay. Wir sehen uns nach der Dusche.«
Sie war schon immer ein burschikoses Mädchen gewesen, das sich mehr für Jungssachen interessierte. Puppen hatten für sie nur insofern ihren Reiz, wenn man sie in Gummi hüllen,ihnen eine Maske aufsetzen und mit Schwimmflossen unter Wasser senken konnte. Unzählige Puppen hatte sie so in den verschiedensten Schüsseln und Badewannen ruiniert.
Kir stellte die Dusche aus und griff nach ihrem Handtuch. Die Lust auf körperliche Nähe meldete sich beim Abtrocknen. Das letzte Mal war sehr lange her, seit ihrer Trennung von Kasper. Sie war zwar schon 32, aber die Liebe war für sie noch immer eine unbekannte Variable.
Das Handtuch ums Haar gewickelt, zog sie sich an. Wie schon so oft zuvor grübelte sie darüber nach, ob es nicht einfacher wäre, sich in Mädchen zu verlieben, die Verständnis für ihre Berufswahl hatten. Statt sich in hoffnungslose Beziehungen mit Männern zu stürzen, die nicht begriffen, dass man Frau und Minentaucherin zugleich sein konnte. Ihr waren Männer begegnet, die sie angesehen hatten, als hätte sie sich nicht als Minentaucherin, sondern als Serienmörderin vorgestellt. Was das anging, hatte sie sich tatsächlich keinen Gefallen mit der Berufswahl getan.
Sie rieb sich die Locken trocken und betrachtete versonnen ihr Spiegelbild. Ihr Aussehen war ihr nicht egal, sie benutzte sogar Make-up, wenn sie ausging. Eine getönte Tagescreme, die gut zu ihrem hellen Teint passte, brauner Kajal, mit dem sie ihre Augen umrundete, und braune Mascara. Für die Lippen ein bisschen rosa Lipgloss. Nichts Auffälliges und Grelles, das passte nicht zu ihrem kastanienroten Haar und den Sommersprossen, sondern eher dezent. Dasselbe galt für die Klamotten. Eine Jeans und dazu ein schickes Oberteil, damit war sie zufrieden. Und auch damit, dass es immer funktionierte. Schlicht, einfach und schnell an- und auszuziehen. Sie liebte zwar das Gefühl des eng anliegenden Neoprenanzugs unter Wasser, aber paradoxerweise hasste sie an Land das Gefühl, in ihrer Kleidung eingesperrt zu sein.Nach dem Essen fuhren sie an den Hafen in Blackies Kneipe, dem Bull’s Eye. Niklas hatte das Training gutgetan, er wirkte fröhlich und aufgeräumt.
»Alter Schwede, hast du ein gutes Trainerhändchen. Kannst du uns nicht drüben in Kongsøre trainieren?«
Sie grinste.
»Das würdet ihr doch gar nicht durchhalten, ihr Weicheier.«
»Wie war das eigentlich, als du damals nach Kongsøre gekommen bist? Du warst doch bestimmt das einzige Mädchen, oder?«
Sie nickte und blinzelte ihm zu.
»Ach, das war herrlich, so viele Männer.«
»Wurdest du nicht gemobbt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein, eigentlich nicht.«
Er lächelte, was das Jungenhafte an ihm noch betonte.
»Das kann ich mir auch nicht vorstellen, sonst hättest du denen gesagt, sie sollten noch fünf Mal stemmen und sich das Ding danach schräg reinschieben, was?«
Blackie stand an diesem Abend persönlich hinter der Theke. Sie bestellte zwei Cola. Die Wirtschaftskrise hatte auch dieser Kneipe seit ihrer Eröffnung zu schaffen gemacht. In der einen Ecke saß ein verliebtes Pärchen. Die restlichen Gäste waren eine Handvoll Jugendliche, die Darts spielten. Seine Frage nach den Anfangsjahren in Kongsøre hatten die Erinnerungen aktiviert und sie begann zu erzählen.
Den ersten Tag in der Torpedostation in Kongsøre würde sie nie vergessen, dort, wo die Minentaucher und Kampfschwimmer ausgebildet werden. Ihre Truppe bestand aus vier Neulingen, in der sie tatsächlich die einzige Frau war. Es hatte schon vor ihr Frauen in der Ausbildung gegeben, aber nicht zeitgleich mit ihr. Es gab offenbar nicht so viele Frauen, diemit den physischen Voraussetzungen ausgestattet waren und Interesse an der Kombination von Tauchen und Sprengstoffen hatten. Aber sie hatte nicht nur Hannibals Geschichten gehört als Kind, sie hatte auch jeden Film gesehen, den es gab über den gefährlichen Beruf des Minentauchers. Sie wusste über die verschiedenen Minen in dänischen Gewässern bestens Bescheid. Und sie wusste, worauf sie reagierten: Magnetismus, Akustik und Druck. Und sie wusste ebenfalls, dass sie in ihrer Ausbildung die beste und teuerste Ausrüstung zur Verfügung gestellt bekämen, Spezialanfertigungen und ohne einen einzigen Splitter aus magnetischem Material. Jedes Detail war eine
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