Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Woher soll ich das wissen?«
»Ja, woher solltest du so etwas auch wissen? Du hattest ja nur Sex mit ihr.«
Wenn er nicht solche Schmerzen gehabt hätte und so müde gewesen wäre, hätte er gelächelt.
»Safer Sex, bitte ja«, korrigierte er.
Anna Bagger stand vor ihm wie ein amerikanischer Cop beim Verhör, mit gespreizten Beinen. Sie strahlte gleichermaßen eine Professionalität und Verletzlichkeit aus, aber er war außerstande, sich entsprechend zu verhalten.
»Deine DNA werden wir wahrscheinlich noch an anderen Stellen als in der Dusche finden. Bis das Gegenteil bewiesen ist, warst du der Letzte, der sie lebend gesehen haben könnte. Wir reden hier von Suspendierung und einem Disziplinarverfahren.«
Vielleicht verdächtigte sie ihn wirklich. Wahrscheinlich hätte er das an ihrer Stelle auch getan. Er seufzte. Das war alles so fucked up.
»Ich bin krank«, sagte er.
»Ganz deiner Meinung.«
»Ich habe Krebs.«
Er hatte den Blick gesenkt.
»Letztes Jahr haben sie mir eine Niere entfernt. Und sie haben in der anderen und in der Leber Metastasen entdeckt. Ich bin heute Morgen gescannt worden, beide Metastasen sind in den letzten drei Monaten beträchtlich gewachsen.«
Sie trat einen Schritt zurück, nicht auf ihn zu. Er registrierte das sehr wohl, vor Krankheiten schreckten die Menschen zurück. Die Erfahrung hatte er auch machen müssen.
»Wie lange weißt du das schon?«
Er wusste, dass sie sofort anfangen würde zu rechnen. Er hätte seine Schnauze halten sollen.
»Keine Sorge, das ist nicht ansteckend. Aber ich muss jetzt an die Luft.«
Aber sie war noch nicht fertig mit ihm, es arbeitete hinter ihrer vermeintlich makellosen Fassade, die aber voller Risse war.
»Wusstest du damals schon von deiner Krankheit?«
Er nickte.
»Aber du warst ein zu großer Feigling, um es zu sagen, ja?«
Er sah, dass sich in ihre Wut aufrichtiges Mitgefühl mischte, aber ihm wäre reine Wut lieber gewesen. Das war alles kompliziert genug. Darum versuchte er abzulenken und über den Fall zu reden.
»Hör mal«, begann er und sah einem Kriminaltechniker hinterher, der mit einer braunen Papiertüte aus Zimmer 103 kam.
»Das hier ist Tora Nummer zwei.«
Man konnte ihr ansehen, wie schwer es ihr fiel, die Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.
»Wie meinst du das? Noch eine Verwechslung?«
»Nein, ich meine die Methode. Warum das mit den Gesichtern? Haben wir es hier mit einem Serienmörder zu tun?«
Er ließ sich zu Boden gleiten, stützte die Ellenbogen auf die Knie und strich sich durchs Haar. Sie hockte sich vor ihn.
»Sind die Gesichter seine Trophäen?«, fragte sie.
»Kann auch ein Trittbrettfahrer gewesen sein. Das erste Mal war so perfekt geplant, dieses Mal wirkt es, als hätte es schnell gehen müssen.«
»Vielleicht war es auch nur ein Racheakt, weil sie mit dir gesprochen hat.«
Er riss sich an den Haaren, das dämpfte die anderen Schmerzen.
»Ich habe sie unter Druck gesetzt. Vielleicht musste sie sterben, weil sie einen Namen verraten hat.«
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter.
»Aber jetzt haben wir ja mehr Anhaltspunkte und haben Toras Geheimnis ein bisschen gelüftet.«
»Es war also nicht umsonst, willst du mir das damit sagen? Hauptsache, man trägt zur Aufklärung eines Mordfalles bei, dann hatte der eigene Tod auch eine Bedeutung?«
Sie erhob sich.
»Vielleicht solltest du nach Hause fahren und dich ausruhen?«
Das war ungefähr das Letzte, was er jetzt wollte. Kir hatte ihn um Viertel nach drei angerufen. Jetzt war es zehn Minuten vor halb sechs und mittlerweile dunkel draußen. Er überquerte die Straße und betrat die Kneipe. Kir saß an der Bar und trank eine Cola.
»Vielleicht solltest du jetzt nicht allein sein?«
»Ich bin nicht allein«, erwiderte sie.
Sie war Soldatin. Das vergaß er immer, wenn er sie sah, obwohl sie jetzt sogar einen Tarnanzug trug. Er setzte sich auf einen Barhocker und bestellte ein Bier. Aus den Lautsprechern kam Countrymusik. In einer Ecke saßen ein paar muskulöse Jungs mit Emblemen eines obskuren Klubs auf den Jacken. Ansonsten waren nur Liebespaare zu sehen. Einige knutschten so hemmungslos, dass er sie am liebsten auseinandergerissen hätte.
Mark lehnte sich zu Kir.
»Wie viele Countrymusiker benötigt man, um eine Glühbirne auszuwechseln?«
Sie sah ihn ausdruckslos an.
»Ich hasse Countrymusik.«
Er konnte sich das nicht erklären, diese Situation war so absurd, aber ihre bloße Anwesenheit versetzte ihn in gute
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