Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Mädchen tot aufgefunden worden war. Ermordet. Man sah einen Ausschnitt vom Kattegatvej, der daran vorbeiführte, die Fassade des Hotels, die Polizeiwagen, Kriminaltechniker mit Tüten und Kisten, die sie aus dem Hotel trugen. Die zuständige Ermittlerin Anna Bagger beantworteteeinige wenige Fragen der Journalisten. Sie hatten die Tote noch nicht identifizieren können, aber es handele sich um ein junges Mädchen, die am Abend zuvor mit einem Mann im Hotel eingecheckt habe. Es könne ein Zusammenhang zu der Toten aus dem Hafenbecken geben, die mittlerweile als die achtzehnjährige Tora Juel Andersen aus Nykøbing Mors identifiziert werden konnte.
»Was hat das zu bedeuten?«
Felix sah ihn mit großen dunklen Augen an, aber er hatte keine Antwort auf diese Frage.
»Hör doch.«
Sie zog die Beine zum Bauch und lauschte den heftigen Windstößen, die am Dach rüttelten und ums Haus pfiffen. Der angekündigte Schneesturm hatte die Küste erreicht. Peter schaltete den Fernseher aus und holte die Seekarte. Er rollte sie vor ihr auf, sie lehnte sich vor und betrachtete die Karte eingehend.
»Da sind wir abgestürzt.«
Sie zeigte auf einen Punkt in der Nähe von Hesselø. »Darum bin ich hierhergeflüchtet. Ich wollte weg und gleichzeitig aber so nah wie möglich am Ort des Geschehens sein. Klingt das sehr widersprüchlich?«
Er lächelte. »Es klingt nach einer schwierigen Aufgabe.«
Aber er wusste genau, wie es ihr ging. Als er aus der Haft entlassen worden war, hatte es ihn als Erstes in die Wälder gezogen, in denen das Kinderheim lag. Er dachte, er würde dort seine Zukunft finden, aber in Wirklichkeit wurde er mit seiner Vergangenheit konfrontiert.
Er zeigte auf einen Punkt in unmittelbarer Nähe von Lille Lysegrund.
»Ich glaube, Fischer-Brians Boot Molly liegt dort irgendwo.«
»Vielleicht sollten wir uns das mal genauer ansehen.«
»Aber uns fehlt die zweite Position, die benötigen wir, um den exakten Ort zu finden.«
»Und was ist, wenn wir wirklich etwas finden? Was machen wir dann damit?«
Er zögerte keine Sekunde. »Wir übergeben es der Polizei.«
Das sollten sie vielleicht jetzt schon tun. Vielleicht sollten sie ihnen einfach alles geben, was sie bisher an Informationen gesammelt hatten. Aber vieles davon war so unklar und er fühlte sich für einige Personen verantwortlich und wollte sie nicht ans Messer liefern. Am wenigsten sie.
Zum hundertsten Mal dachte er darüber nach, wie das alles zusammenhing, was für eine Rolle Erik Gomez in dem ganzen Spiel hatte. Was hatte ein Mann wie er mit einem Insassen im Staatsgefängnis zu tun? Felix war der Ansicht, dass Erik Ramses gekannt hatte. Aber das Datum war verkehrt. Als er seinen Antrag auf Besuchserlaubnis gestellt hatte, war Ramses schon längst entlassen worden. Wen hatte er besuchen wollen? Und warum?
Er hatte zwei Jahre seiner Haftzeit in dem neuen Staatsgefängnis verbracht, nachdem das alte geschlossen worden war. Zwar war es dort kalt und feucht gewesen, aber weitaus weniger beängstigend als der neue, moderne, fluchtsichere Gefängniskomplex, der computergesteuert war und so unpersönlich wirkte, dass einem sogar die Gefängniswärter wie Roboter vorkamen. Er hatte es gehasst. Ihm war die Hierarchie von starken und schwachen Insassen zuwider gewesen, der kein Einhalt geboten wurde. Er hatte es verabscheut, den Bandenmitgliedern bei der Anwerbung neuer Lehrlinge zuzusehen, die dann für sie springen mussten. Ihn hatte die Tatsache abgestoßen, dass Insassen, die wegen schwerer Vergehen saßen, ihre Zeit damit verbringen durften, den Großteil ihres Tages selbst einzuteilen, einkaufen zu gehen, zu kochenund sich Sklaven zu halten. Während andere, die aus der Bande austreten wollten und die Polizei mit wichtigen Informationen versorgten, zu ihrer eigenen Sicherheit in alten Gebäudeteilen untergebracht wurden, ohne jeden Luxus und nur ausgestattet mit einem Klo und einer harten Pritsche. Er war gut zurechtgekommen, so wie er überall zurechtkam. Das war sein großes Talent. Aber noch nie hatte er einen Ort so gehasst und verabscheut wie das Gefängnis und er hatte sich geschworen, nie wieder dorthin zurückzukehren.
Er hatte sich dieses Versprechen gegeben, aber die Ereignisse der vergangenen Tage und der Mord, von dem sie soeben im Fernsehen erfahren hatten, zwangen ihn, dieses Versprechen zu brechen. Aber das war nicht das einzige, das er brechen würde. Er hatte sich auch geschworen, dass die Zeit im Krankenhaus niemals wieder eine
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