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Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)

Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)

Titel: Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
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Rolle in seinem Leben spielen würde. Was er Mark Bille Hansen gesagt hatte, war keine Lüge gewesen: Damals wollte er nur in Frieden gelassen werden, um entweder zu sterben oder – sollte ein Wunder geschehen – mit einer Spenderniere weiterzuleben. Und als er das Krankenhaus als gesunder Mann verlassen hatte, wollte er niemals wieder zurückblicken.
    Aber ihm wurde klar, dass man vorsichtig sein sollte mit den Versprechen, die man sich selbst gab. Im Krankenhaus war er Menschen begegnet, die für sein Leben eine Bedeutung bekamen. Und er hoffte, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte, als er zum Hörer griff und die ehemalige Station anrief, um sich mit seiner alten Stationsschwester zu verabreden.

K APITEL 43
    Felix wusste, dass Peter sie nicht gerne alleine ließ. Er fürchtete einen Rückfall, hatte Angst, dass die Erinnerungen an den Unfall sie überwältigen könnten.
    Sie sah ihm hinterher, als er am frühen Morgen in den Wagen stieg und auf die Landstraße bog. Sie hätte ihm zu gerne die Sorge genommen, fand aber nicht die richtigen Worte dafür. Wenn er sie ansah, wollte sie ganz andere Dinge sagen, und gleichzeitig hatte sie den Impuls, sich an ihm festzuklammern. Aber den bekämpfte sie mit aller Macht.
    Sie setzte sich wieder vor die Kisten aus Eriks Büro und machte sich an die Arbeit. Sie wusste genau, was in ihrem Gehirn vor sich ging. Sie kannte die Fachausdrücke dafür: sie litt an retrograder Amnesie und anterograder Amnesie, was schöne Wörter dafür waren, dass sie sich nicht an die Zeit vor dem Unfall erinnerte, nicht an den Unfall selbst und auch nicht an die Zeit danach. Ihr Erinnerungsvermögen hatte den ›geschützten Modus‹ aktiviert und versucht, sie von dem Geschehenen fernzuhalten, indem er ein Vergessen suggerierte. Natürlich war ihr das bewusst gewesen, intellektuell hatte sie auch verstanden, wie sie ihrer Erinnerung nachhelfen konnte. Dennoch hatte sie eher halbherzig die Zeitungsausschnitte aufgehängt, um dadurch der Havariekommission und der Polizei bei der Rekonstruktion des Unfalls behilflich zu sein. Aber in Wirklichkeit hatte sie keine Antworten auf die Fragen gewollt. Bis jetzt.
    Die Wut half ihr. Die Unterlagen und Gegenstände aus Eriks Büro und der Besuch in ihrem Haus waren geeignete Hilfsmittel dafür. Jede noch so kleine Information – ob eine Taxiquittung oder der Anblick von Eriks Handschrift – brachte ein weiteres Puzzlestück in ihrer Erinnerung ans Tageslicht.
    Aber sie wusste, wie gefährlich dieser Balanceakt war, wie vorsichtig man beim Eintauchen in die Vergangenheit sein musste. Denn für einige Betroffene war das Erlittene so grausam, dass sie ein erneutes Erleben nicht ertragen konnten. Ihre Zimmergenossin im Krankenhaus hatte sogar versucht Selbstmord zu begehen. Sie war vor der Folter aus Sierra Leone geflohen und hatte die Erinnerung daran nicht ausgehalten. Manchmal musste man einfach anerkennen, dass das menschliche Gehirn auch kluge Entscheidungen traf.
    Aber die Wiederentdeckung von Erinnerung konnte bei Menschen mit posttraumatischer Amnesie auch etwas Erlösendes haben. Es war schmerzhaft, konnte aber den Betroffenen dazu bringen, einen Trauerprozess zu beginnen und dann eines Tages wieder ein normales Leben zu führen.
    Der Verlust der Erinnerung hatte eine Auseinandersetzung mit ihrer Trauer unmöglich gemacht. Das war ihr bewusst geworden, nachdem sie zu den Orgelklängen aufgewacht und später am Grab in Tränen ausgebrochen war. Jetzt wollte sie die Trauer nicht mehr verdrängen, sie brauchte sie wie den Schlaf nach Wochen der Schlaflosigkeit. Die Trauer sollte ihr dabei helfen, aus dem Zombiedasein zwischen Überlebenden zu einer Existenz unter den Lebenden zu finden.
    Sie leerte die letzte Kiste auf dem Boden aus. Erik hatte über zehn Jahre für diese Firma gearbeitet, da hatte sich viel angesammelt: alte Kalender, Notizbücher, Ordner, Bücher. Die firmenrelevanten Unterlagen hatte das Büro natürlich behalten.
    Felix blätterte im Kalender vom Jahr 2008, seine Handschrift war unverkennbar: Sie war schwungvoll, so wie er auch. Sie musste an die Liebesbriefe denken, die er ihr im Laufe der Jahre geschrieben hatte. Kleine Zettel mit liebevollenoder frechen Worten, aber immer stilvoll. Die lagen alle gesammelt in ihrer Kommode, aber sie hatte sie schon lange nicht mehr zur Hand genommen.
    Sie schüttelte die Bücher, um nach verborgenen Papieren zu suchen, überprüfte die Kästchen mit Büroklammern, Streichhölzern und

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