Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
wurmte sie und es machte sie neugierig, warum er mit dem Mädchen ins Hotel gegangen war. Und natürlich hatte sein Verhalten ihren Stolz verletzt. Natürlich hatte sie sich gefragt, warum er es vorzog, mit der Prostituierten ins Hotel zu gehen, statt ihr bei einem Glas Bier tief in die Augen zu sehen. Aber so war es eben. Alles war femininer und hatte mehr Sexappeal als eine durchtrainierte Minentaucherin mit rotem Haar und wilden Mordtheorien. Sogar eine Nutte in Minirock und mit knabenhaftem Körper, der so flach war wie ein Brett, machte den Polizisten mehr an.
Das gelbe Hotel badete in der tief stehenden Sonne. Eiszapfen hingen an der Regenrinne und tropften auf den Bürgersteig, aber der Schnee auf dem Dach lag wie eine fest sitzende Mütze. Das Hotel wirkte leer, auf dem Parkplatz standen nur wenige Autos. Winter in der Provinz, dachte Kir bei dem Anblick. Die meisten Hotels und Restaurants hatten in dieser Jahreszeit geschlossen und die wenigen, die den Betrieb aufrechterhielten, arbeiteten mit geringer Besetzung. Auf der anderen Straßenseite lag Blackies Kneipe, seine Angestellten waren bereits damit beschäftigt, den Laden für den nächsten Abend vorzubereiten. Sie sah ihren Bruder mit einem Eimer und einem Wischmopp in der Hand, drehte sich um und machte sich auf den Nachhauseweg.
Aber sie kam nicht weit. Die Fenster im ersten Stock wurden geöffnet, sie hörte einen Staubsauger angehen. Dann ertönte ein ohrenbetäubender Schrei.
Sie reagierte intuitiv, rannte zum Hoteleingang und stießdie Eingangstür auf. Die Lobby war menschenleer, darum sprang sie die Treppe in den ersten Stock hoch. Im Flur sah sie den Reinigungswagen des Zimmermädchens stehen. In dieser Sekunde stürzte eine junge Frau aus dem Zimmer. Sie trug einen hellblauen Kittel und hatte ihre schwarzen Haare hochgesteckt. Ihre mandelförmigen Augen waren weit aufgerissen vor Panik. Eine zweite Frau kam aus der anderen Richtung auf sie zugelaufen, auch sie war asiatischer Herkunft und trug ebenfalls einen hellblauen Kittel.
»Was ist passiert?«
Kir schlüpfte ganz automatisch in die autoritäre Rolle. Vielleicht trug auch ihr Tarnanzug dazu bei. Das erste Zimmermädchen zeigte auf Zimmer Nummer 103. Sie sagte kein Wort, sah Kir nur mit großen Augen an.
Es war sonst niemand vom Hotel in der Nähe, niemand von der Rezeption, niemand, der die Verantwortung übernehmen könnte. Sie stieß die Tür des Zimmers auf. Auf den ersten Blick sah alles normal aus. Das Bett war unordentlich, das Bettzeug zerknüllt, auf dem Nachttisch standen ein leeres Glas und ein halbvolles mit Cola. Das Fenster war geöffnet und es war eiskalt im Raum, und trotzdem lag ein sonderbarer, süßlicher Geruch in der Luft.
Der Körper lag in der Ecke des Raumes und sah aus wie die Wiedergängerin der Leiche aus dem Hafenbecken. Das Gesicht war weg, jemand hatte die Haut abgezogen. Um den Hals der Toten war ein Schal geschnürt, ihre Zunge hing aus dem Mund, blau angelaufen. Der Minirock war ihr bis über die Hüften geschoben, die Unterhose hing an ihren Knöcheln. Ihr entblößter Körper sah aus, als wäre er bereit für weitere Entwürdigungen.
»Was ist denn hier los?«
Eine tiefe gebieterische Stimme drang zu Kir durch, aber auch die zitterte. Sie stellte sich vor.
»Ich rufe die Polizei«, sagte sie und holte ihr Handy raus. »Sie dürfen nichts anfassen. Lassen Sie das Zimmer so, wie es ist. Und Sie? Wie heißen Sie?«
Sie las sein Namensschild: Morten Hansen. Rezeption. »Morten, niemand darf das Gebäude verlassen, die Polizei wird alle befragen wollen, die sich in den vergangenen 24 Stunden hier aufgehalten haben.«
Sie nickte ihm zu. »Fangen Sie ruhig damit an, die Gäste und Mitarbeiter zu erreichen, die gestern Abend ausgecheckt haben oder nach Hause gegangen sind.«
Sein Blick war skeptisch, aber er tat, wie ihm befohlen. Zehn Minuten später hörte sie die Sirene und kurz darauf Getrampel auf der Treppe.
»Ich glaube, ich spinne.«
Mark Bille Hansen und sein Kollege starrten sie an. Sie erwiderte die Blicke. Mark Bille war trotz seiner dunkeln Hautfarbe kalkweiß im Gesicht. »Bitte, was machst du denn hier?«
Sie sah, wie seine Wut von Panik abgelöst wurde, und versuchte, so ruhig wie möglich zu antworten.
»Ich bin zufällig vorbeigekommen.«
Mark Bille betrat das Hotelzimmer, sein Kollege folgte ihm und Kir ging hinterher, prallte aber gegen dessen Rücken, als dieser abrupt stehen blieb.
»Verdammte Scheiße!«
Marks Kollege
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