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Eiskalte Angst

Eiskalte Angst

Titel: Eiskalte Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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Das ist lächerlich. Ihr seid Versager! Wie konnte er ganz woanders sein, wenn seine Fußabdrücke im Schnee endeten? Glaubt Ihr, er sei weggeflogen? Vermutlich hockte er über Euch in einem Baum und lachte Euch aus.«
    Zwei Männer knieten vor dem knorrigen Stuhl. Sie hielten ihre Köpfe gesenkt und schwiegen demütig.
    Um sie herum hatten sich eine Vielzahl mit braunen Kutten bekleidete Männer und Frauen gruppiert, die ebenfalls das Eis zu ihren Füßen anstarrten.
    »Einige von Euch wollen morgen Abend in den inneren Kreis aufgenommen werden und zu Oberen werden.«
    Beifälliges Murmeln erklang.
    »Ihr seit Euch der Verantwortung bewusst. Und Ihr wisst, dass nur die Besten auserwählt sind. Er, der große Dragus, der Herr der Oberen ist auf dem Weg zu uns. Er wird morgen Mittag mit seinem Hubschrauber hier eintreffen. Was soll ich ihm berichten? Soll ich ihm sagen, dass zwei von Euch zu unfähig sind, einen einzelnen Mann, einen Menschen, zu stellen? Soll ich dem großen Dragus sagen, dass sein Plan gefährdet ist? Wie wird er reagieren?«
    Licitus, der Mann in Rot, machte eine Pause. Sein Schweigen lag dumpf auf den Anwesenden.
    »Er wird erbost sein. Er wird Bestrafungen fordern. Sein Plan ist viel zu wichtig, als das Unfähige ihn durchkreuzen dürfen. Morgen soll der Tag sein, an dem er sich der Öffentlichkeit präsentiert und nichts soll diesen Tag trüben. Von morgen an werden die Menschen auf seine Worte hören und ihm folgen. So, wie auch Ihr ihm gefolgt seid. Es soll ein Triumph werden.«
    Unruhig bewegten sich die Umstehenden auf die beiden Knienden zu.
    Licitus, rechte Hand des Herrn der Oberen, griff hinter sich, und als er sie von sich streckte, hielt er etwas in den Händen, dass so groß war wie ein Fußball und bei dem es sich um einen geschliffenen Kristall handelte. Das Flimmern der Fackeln reflektierte darin und warf farbige Facetten irisierenden Lichts gegen die Eiswände. Licitus schloss seine Augen. In diesem Moment spürten sie es alle: Unter ihren Füßen vibrierten Schwingungen, die ihre Körper durchflossen und ihre Zähne so stark aufeinander schlagen ließen, dass ihre Körperbehaarung sich wie elektrisch geladen aufrichtete. Diese Schwingungen waren vollkommen tonlos und die Quelle war der Kristall. Es war, als lebe das funkelnde Ding in Licitus’ Hand. Es strahlte Macht aus - unbeschreibliche Macht!
    Licitus nickte. »Ihr wisst, was zu tun ist, Freunde! Führt die Bestrafung aus. Reinigt unsere Gruppe. Vernichtet die Unfähigen, denn sie sind eine Gefahr für uns.«
    Einer der Knienden schluchzte hell und seine Schultern zuckten.
    Sein Nachbar warf den Kopf hoch, die Kapuze rutschte ihm über die blonden Haare nach hinten, in seinen Augen flackerte wilde Panik und seine brüchige Stimme hallte von den Eiswänden wider. »Das könnt ihr nicht tun ... wir haben alles versucht um den Abtrünnigen zu fangen ... wir gehören doch zu Euch! Wir sind Eure ... Brüder!« Er versuchte aufzustehen. Die Hände der Umstehenden drückten ihn nieder.
    Immer näher drängten sich die Anderen heran. Einige von ihnen lösten die Kordeln ihrer Kutten und verdrehten die Enden zwischen den Fingern.
    Verzweifelt wehrten sich die Verurteilten. Sie hatten versagt und die Strafe würde schrecklich sein! Dieses Wissen verlieh ihnen Bärenkräfte und heulend kämpften sie um ihr Leben aber sie waren nur zwei gegen mehr als zwanzig.
    Licitus deckte den Kristall mit einem schwarzen Tuch zu und verstaute das geheimnisvolle Objekt wieder hinter seinem Rücken.
    Er lehnte sich vor und für einen Moment war sein schmales Gesicht zu sehen. Dunkle glitzernde Augen wurden überdacht von schwarzen Augenbrauen, die über der hageren Nase zusammengewachsen waren. Seine messerscharfen Lippen kräuselten sich verzückt. Es war das Gesicht eines Raubvogels, der zufrieden betrachtet, wie seine flügge gewordenen Jungen ihre erste Beute schlagen.
     
     

9
     
     
    Am nächsten Morgen war April ausgeschlafen und fit. Sie kontrollierte ihre Körpertemperatur. Kopfschüttelnd betrachtete sie das Thermometer. Mit spitzen Fingern legte sie es auf den Nachttisch. Alles war vollkommen normal, so als wäre das gestrige Erlebnis nur ein weit entfernter Traum gewesen. Hatte sie tatsächlich diese hohe Körpertemperatur gehabt oder hatte der Schock des Unfalls ihre Sinne verwirrt? Die Erinnerung schwamm weg wie Schmutz nach einem Regen.
    Nachdem sie geduscht und sich angezogen hatte, verzehrte sie ein opulentes Frühstück.

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