Eiskalte Berührung - Cole, K: Eiskalte Berührung
recht?«
Wroth blieb stehen. Er ballte die Fäuste, weil er zurückgehen musste .
»Das hat er«, stieß er, wiederum vor der Zelle angekommen, mit rauer Stimme aus.
»Und die Armee dieses neuen Königs besteht aus lauter Devianten – gewandelten Menschen? Es ist völlig bedeutungslos. Ich bin sicher, der König kennt die überaus umfangreiche Liste der Feinde der Vampirhorde innerhalb des Mythos nur allzu genau. Er hat keinerlei Bedarf für die Jahrtausende zurückreichenden Aufzeichnungen dieser Burg. Genau genommen bin ich sogar sicher , dass diese nicht der Grund sind, wieso ihr diese Festung den vier anderen vorgezogen habt – die Residenz des Königs eingeschlossen.«
Wieso nur wusste sie so gut über ihre Absichten Bescheid?
Wroth konnte Schlachten und Belagerungen planen – seinen Rang hatte er sich ausschließlich durch Siege verdient – , aber er wusste nichts über diese neue Welt, um der Armee einen Vorteil zu verschaffen. Unglücklicherweise war er da nicht der Einzige.
Der Blinde, der die Blinden anführt … Das hatte Kristoff leise vor sich hingemurmelt, als sie den schwelenden Haufen Asche gefunden hatten, der einmal das Archiv gewesen war.
»Glaubst du, du könntest dir die Freiheit erkaufen? Wenn du tatsächlich über Informationen verfügst, bin ich in der Lage, sie dir zu entreißen.«
»Folter?«, fragte sie lachend. »Einen Ratschlag kann ich dir schon vorweg geben: Ich würde dir nicht empfehlen, mich der Folter auszusetzen. Es missfällt mir, und Kneifzangen stimmen mich verdrießlich. Es wäre ein Fehler .«
Die … Dinge in den anderen Zellen – von den meisten hatte er noch nie gehört und hätte sie sich in seinen kühnsten Träumen auch nicht vorstellen können – begannen bei ihren Worten zu heulen und zu grunzen.
»Aber lass uns nicht streiten, Vampir. Befreie mich, und dann gehen wir auf dein Zimmer und unterhalten uns.« Sie streckte ihm ihre zerbrechlich aussehenden Hände entgegen. Ein Aschefleck hob sich auffällig von ihrer alabasterfarbenen Haut ab.
»Das werden wir nicht tun.«
»Du wirst mich rufen lassen. Du wirst dich in deinem neuen Quartier einsam und missgelaunt fühlen. Ich könnte dich mein Haar streicheln lassen, bis du einschläfst.«
Er näherte sich ihr und senkte die Stimme, um sie in aller Ernsthaftigkeit zu fragen: »Du bist wohl verrückt?«
»Wie – ein – Hutmacher«, flüsterte sie in verschwörerischem Ton zurück.
Er verspürte einen Hauch Mitgefühl für dieses Geschöpf. »Wie lange bist du schon hier?«
»Schon seit vier langen … nicht enden wollenden … Tagen.«
Er starrte sie finster an.
»Darum möchte ich, dass du mich mitnimmst. Ich esse nicht viel.«
Der ganze Kerker hallte von Gelächter wider.
»Jetzt halt mal die Luft an!«
»Aber das tust du doch schon, Deviant.«
»Woher weißt du, was ich bin?«
»Ich weiß alles .«
Wenn das der Wahrheit entsprach, verfügte dieses Wesen über einen Reichtum, den sie selbst nicht besaßen.
»Lass sie doch«, rief Murdoch an der Pforte des Kerkers. Seine Brauen waren zusammengezogen, zweifellos verwirrte ihn das Interesse seines Bruders. Nikolai war noch nie hinter Frauen her gewesen. Als er noch ein Mensch war, hatten sie sich entweder ihm genähert oder er war ohne Frau ausgekommen. Und in Kriegszeiten hatte er keine Zeit gehabt. Als Vampir verspürte er kein Verlangen. Nicht, ehe er seine Braut fand.
Er schüttelte den Kopf über diese wahnsinnige, feydenhafte Kreatur und zwang sich weiterzugehen, obwohl er meinte, sie flüstern zu hören: » Ruf nach mir, General .« Die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf.
Er folgte seinem Bruder zu Kristoffs neuem Empfangszimmer. Ihr König starrte aus einem der großzügigen Fenster, dessen Läden in wenigen Stunden bei Anbruch der Morgendämmerung geschlossen werden würden, in die klare Nacht hinaus. Als er sich zu ihnen umwandte, wirkte sein hageres Gesicht erschöpft.
Wrothvermutete,dassesihmschwergefallenwar,andere,gebürtige Vampire – seine eigene Art – zu töten, ganz gleich, wie wahnsinnig sie waren, und ganz gleich, ob sie seinem Onkel Demestriu folgten, der vor Jahrhunderten die Krone unrechtmäßig an sich gerissen hatte. Wroth kannte solche Bedenken nicht. Auch er war erschöpft, jedoch nur aufgrund seiner Verletzungen, und sein Schwertarm war überstrapaziert, nachdem er sich durch die Reihen seiner Feinde geschlagen hatte.
»Konnten Teile der Aufzeichnungen gerettet werden?«, erkundigte sich Wroth ohne
Weitere Kostenlose Bücher