Eiskalte Berührung - Cole, K: Eiskalte Berührung
sie immer von ihm, dachte an seine harte Brust und seinen noch härteren Schaft, stellte sich seine Wildheit, seine Leidenschaft vor, sollte er sie jemals wiederfinden.
Eigentlich, dachte sie, hätte er sie inzwischen durchaus finden können. Sie hatte ihn – versehentlich? – ihr Blut kosten lassen, und ihm damit möglicherweise ihre Erinnerungen gegeben, die ihn auf direktem Wege hierherführen könnten. Wie oft hatte sie schon über jenen leichtsinnigen Kuss nachgegrübelt. Sie hatte keinerlei bewusste Absicht gehabt, ihn ihr Blut schmecken zu lassen, aber sie musste tief in ihrem Inneren gewusst haben, dass er seine Fänge bei der Ankunft ihrer Schwestern ausfahren und sie rasiermesserscharf sein würden. Hatte sie am Ende gewollt, dass er sie irgendwann fand?
Sie schüttelte den Kopf, sie musste bei der Sache bleiben. Irgendwo dort unten waren Annika, Daniela und Lucia.
»Guckt mal.« Regin zeigte auf jemanden unter ihnen. »So große Männer sollten sich lieber nicht volllaufen lassen.«
Myst richtete ihr Augenmerk auf einen hochgewachsenen Mann, der sie von hinten an Wroth erinnerte – warum konnte sie sich diesen Vampir nicht aus dem Kopf schlagen? – , obwohl dieser hier sehr viel schlanker war. Der Mann lehnte sich gegen einen anderen riesigen Kerl und hielt sich an ihm fest, um während des Gehens das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Sie merkte, dass sich ihre Klauen krümmten.
»Myst, kannst du das nicht sein lassen?«, fragte Regin nach einem kurzen Blick auf ihre Klauen. »Das ist echt peinlich.«
»Aber ich kann nichts dagegen tun. Ich steh nun mal auf große Männer mit breiten Schultern. Und ich wette, unter seinem Trenchcoat verbirgt sich ein Arsch, der nur darauf wartet, angegrapscht zu werden.«
Nïx kam ihr zu Hilfe. »Und schließlich kann sie sich nicht einfach Pflaster drüberkleben … «
»Heilige Scheiße!«, rief Regin. »Ich seh da ein Glimmen. Ghule, da hinten an der Ursulines Avenue!«
»Verdammt«, murmelte Myst. »Schon wieder in aller Öffentlichkeit? Dann haben sie’s wohl dringend nötig, neue Rekruten zu finden.« Ghule waren besessene Kämpfer und immer darauf aus, ihre Anzahl zu erhöhen, indem sie Menschen mit ihren ansteckenden Bissen und Kratzern wandelten. Sie besaßen zähflüssiges grünes Blut, und jedes Mal wenn der Koven wieder einmal in den Kampf gegen sie zog, wurde die Gegend um New Orleans ziemlich schleimig.
»Schon wieder.« Nïx seufzte. »Und irgendwann glauben die betrunkenen Touristen uns auch nicht mehr, dass das nur Komparsen aus einem Science-Fiction-Film sind.«
Regin ließ ihre Klinge in eine Scheide an ihrem Unterarm gleiten. »Hiermit erkläre ich New Orleans offiziell zum Originaldrehort von Stargate, Teil zwölf.« Sie erhob sich. »Dann wollen wir uns die Ghule mal zur Brust nehmen. Du bleibst hier und hältst Ausschau nach Vampiren.« Sie stieß ein geisterhaftes Huu-huuu! aus. »Und versuch bitte, ihnen nicht gleich dein Hinterteil anzubieten, okay?«
Während Myst nur die Augen verdrehte, hakten ihre Schwester einander unter und sprangen vom Dach, wobei ihre Bewegungen so schnell waren, dass das bloße Auge ihnen kaum folgen konnte. Wie immer vermochte niemand sie zu sehen, und wenn doch, dann würde es in dieser Stadt, die bei den Geschöpfen der Mythenwelt so beliebt war, niemandem weiter auffallen.
Myst betrachtete das ferne Glühen prüfend. Es war nicht allzu ausgedehnt – nichts, womit ihre Schwestern nicht fertigwerden würden. Nïx als die Älteste war sehr stark, und Regin war gerissen. Außerdem hatte Myst neue Stiefel an, und sie würde auf gar keinen Fall ein weiteres Paar an den epischen Kampf zwischen butterweichem italienischem Leder und Glibber verlieren. Dieser Kampf hatte schon zu viele Opfer gefordert. Es war ausgesprochen traurig. Wirklich.
Sofort wurde ihre Aufmerksamkeit wieder von dem Mann auf der Straße angezogen. Sie hob eine Augenbraue. Wenn seine Vorderseite seiner Hinteransicht entsprach, wäre sie durchaus versucht. Es war schon eine Ewigkeit her, seit sie zum letzten Mal ein bisschen Spaß gehabt hatte, und sie hatte es sich doch redlich …
Sie sog scharf die Luft ein und drückte sich eng an die Dachgaube. Als sie in die Gasse hinuntergespäht und das Profil des Mannes gesehen hatte, war ihr klar geworden, dass der vermeintliche Trunkenbold gar nicht betrunken war. Der Körper, den sie die ganze Zeit angegafft hatte, war der ihres von ihr »getrennt lebenden Ehemanns«, wie der Koven ihn gerne
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